Die Corleones
Harlem.«
Vito streckte Luca die Hand hin. Luca betrachtete sie nachdenklich, schüttelte sie dann und hielt ihm die Tür auf.
Draußen im Wagen beugte sich Clemenza über den Sitz und öffnete Vito die Tür. »Wie ist es gelaufen?«, fragte er. Die Gebäckschachtel auf seinem Schoß war leer, und auf seinem Hemd war ein weiterer großer gelblicher Fleck. Clemenza bemerkte, wie Vitos Blick auf die leere Schachtel fiel. »Wenn ich nervös bin, esse ich zu viel«, sagte er. Dann steuerte er den Wagen auf die Park Avenue und fragte noch einmal: »Wie ist es gelaufen?«
»Fahr mich nach Hause«, erwiderte Vito, »und dann schick jemand los, der Tom holt.«
»Tom?« Clemenza warf Vito einen fragenden Blick zu. »Tom Hagen?«
»Tom Hagen«, bellte Vito.
Clemenza wurde bleich und sank auf seinem Sitz in sich zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen.
»Und sag Hats Bescheid. Er soll Luca fünfzehntausend Dollar bringen. Sofort. Ich habe Brasi gesagt, dass er es innerhalb von einer Stunde bekommt.«
»Fünfzehntausend Dollar?
Mannagg’!
Warum legst du ihn nicht einfach um?«
»Nichts würde ihn glücklicher machen. Er gibt sich wirklich alle Mühe, in das nächstbeste offene Messer zu laufen.«
Clemenza musterte Vito besorgt, als wäre in Luca Brasis Lagerhaus etwas vorgefallen, das ihn ein wenig verrückt gemacht hätte.
»Bitte hol Tom«, sagte Vito etwas leiser. »Später erkläre ich dir alles. Ich muss jetzt nachdenken.«
»Okay. Natürlich, Vito.« Clemenza griff nach der Gebäckschachtel, stellte fest, dass sie leer war, und warf sie auf die Rückbank.
12.
Sonny musste lachen, als er sich in dem Spiegel an der Wand der Bäckerei sah. Er stand nackt hinter der Glasvitrine, direkt neben der Kasse, und aß einen mit Zitronencreme gefüllten Donut. Eileens Tante hatte Caitlin für den Tag zu sich genommen, und Eileen hatte den Laden früher zugemacht und Sonny zu sich eingeladen. Jetzt lag sie im Bett und schlief, und Sonny war die Treppe hinuntergestiegen, die direkt aus ihrem Wohnzimmer in den Hinterraum der Bäckerei führte – er hatte Hunger gehabt. Die große grüne Jalousie vor dem Schaufenster war heruntergelassen, und der Lamellenvorhang an der Glastür war geschlossen. Es war später Nachmittag, und der Laden war in orangefarbenes Licht getaucht. Draußen auf der Straße hasteten Leute vorbei, und Sonny schnappte immer wieder Gesprächsfetzen auf. Ein paar Jungs palaverten über Baseball, redeten über die Washington Senators und Goose Goslin und darüber, ob er es mit Hubbell aufnehmen konnte. Sonny interessierte sich genauso wenig für Sport wie sein Vater. Er musste erneut lachen, als ihm bewusst wurde, dass er hier im Adamskostüm herumstand und einen Donut aß, während diese Vögel keine fünf Meter von ihm entfernt über Baseball quatschten.
Er schlenderte mit dem Donut in der Hand durch den Laden und schaute sich um. Seit dem Picknickausflug musste er immer wieder an das Anwesen denken und an die beiden Visagen, die versucht hatten, sie übers Ohr zu hauen. Irgendetwas an dem größeren Kerl, der sich den Schraubenschlüssel geschnappt hatte, ließ ihm keine Ruhe. Später, nachdem sie fort waren, hatte Sonny zu Clemenza gesagt: »Nicht zu fassen, was die beiden Clowns sich da ausgedacht haben«, und Clemenza hatte erwidert: »Tja, Sonny, das ist Amerika.« Sonny hatte ihn nicht gefragt, was er damit meinte, aber wahrscheinlich sollte das heißen, dass es in Amerika eben so lief: Jeder versuchte jeden über den Tisch zu ziehen. Leute wie Clemenza und sein Vater und all die anderenredeten noch immer über Amerika, als wäre es ein fremdes Land. Dieser große Kerl – es war gar nicht so sehr das, was er gesagt hatte, obwohl dieser Schwachsinn über den Papst Sonny schon unter die Haut gegangen war. Dabei war er überhaupt nicht religiös, und seine Mutter hatte schon vor Jahren aufgehört, ihn jeden Sonntag in die Messe zu schleppen. »Wie dein Vater«, hatte sie zornig gesagt – auch Vito ging sonntags nicht zur Kirche. Mit seinem Vater verglichen zu werden, machte Sonny jedoch nur stolz. Der Papst allerdings war für Sonny lediglich ein Mann mit einem komischen Hut. Also ärgerte sich Sonny gar nicht so sehr über das, was der Kerl mit dem Schraubenschlüssel gesagt hatte, sondern darüber, wie er sie angeschaut hatte – vor allem, wie er Vito angeschaut hatte. Das war ihm gegen den Strich gegangen, und er träumte noch immer davon, ihn zu vermöbeln, bis seine eigene Mutter ihn nicht
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