Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
allmählich zu vertraut.
Oder lag es vielleicht an dieser verwirrenden Frau, die neben ihm saß und entschlossen war, so wenig wie möglich zu sagen?
Die Arbeiter winkten und lächelten, und Brody grüßte mit Kopfnicken, als er über die künftige Zufahrt fuhr. Vorläufig handelte es sich noch um einen unbefestigten, dünn mit Kies bestreuten Weg.
„Tricia erwähnte, dass du den Besitz weiterhin River’s Bend nennen willst“, sagte Carolyn, den Blick immer noch auf das Haus gerichtet, verträumt, vielleicht auch wehmütig.„Das schien sie zu freuen.“
„River’s Bend ist als Name genauso gut geeignet wie jeder andere“, erklärte Brody. „Außerdem mochte ich Tricias Dad. So ziemlich jeder mochte Joe McCall.“
„Er fehlt Tricia“, bemerkte Carolyn, die Brody endlich doch ansah.
Er konnte nicht in ihren Augen lesen, doch es war einerlei, denn sie war so verdammt schön im Spätnachmittagslicht. Ein vergoldetes Wesen.
Dieser Scheiß-Edelmut wird überschätzt, entschied Brody frustriert. Hätte er vorhin in der Küche seinen Vorteil genutzt, würden sie sich in diesem Augenblick wahrscheinlich gerade von der ersten Runde erholen und sich bereit machen, zur zweiten Runde anzutreten. Oder sogar zur dritten.
„Das ist nur natürlich“, antwortete Brody mit Verspätung auf Carolyns Bemerkung.
„Fehlt dir dein Dad?“, fragte Carolyn, als er den Pick-up parkte und den Motor abschaltete.
Diese Frau hatte so eine Art, einen aus heiterem Himmel zu überrumpeln.
Brody schüttelte den Kopf. „Ich habe meinen Vater gar nicht richtig gekannt“, antwortete er ehrlich. „Conner und ich waren noch kein Jahr, als er starb, und unsere Mutter ist kurz nach unserer Geburt gestorben. Wenn ich an meine Eltern denke, meine ich Kim und Davis, und meinem Bruder geht es sicher ebenso.“
Er öffnete die Wagentür und wäre um das Fahrzeug herumgelaufen, um Carolyn beim Aussteigen behilflich zu sein, doch Carolyn war längst vom Trittbrett auf den steinigen Boden gesprungen.
Er holte Valentino und Barney vom Rücksitz und ließ sie laufen.
„Was ist mit dir, Carolyn?“
„Was soll mit mir sein?“, entgegnet sie herausfordernd,aber sanft, und schirmte mit einer Hand ihre Augen gegen die grelle Sonne ab.
„Du hast nach meinem Dad gefragt. Ich frage dich nach deinem.“
„Ich habe ihn nie kennengelernt“, sagte Carolyn, als wäre es nebensächlich.
Es erschien aber wichtig, wenngleich Brody nicht wusste, warum. Sogar so wichtig, dass er weiter in sie drang.
„Und was ist mit deiner Mutter?“
Da sah sie ihn an, und der Ausdruck in ihren Augen war so trostlos, dass er ihn wie einen Schlag in den Magen empfand. „Sie ist nur eine Erinnerung an jemanden, der wegfuhr und mich allein zurückließ.“
Seit dem Tag, an dem Lisa und Justin Seite an Seite auf einem windgepeitschten kleinen Friedhof oben in Montana zu Grabe getragen wurden, hatte Brody nicht mehr geweint, doch jetzt war ihm danach.
Aber er weinte nicht.
Beide schwiegen eine Weile und rührten sich nicht.
„Das wird ein tolles Haus“, meinte Carolyn endlich.
Brody suchte nach einer angemessenen Reaktion und brachte ein flüchtiges Lächeln zustande. Er war stolz auf dieses Haus und betrachtete den Entwurf und die Errichtung als seine allerersten erwachsenen Taten. Es gab ihm ein gutes Gefühl, all das Carolyn zu zeigen.
„Ja, Ma’am“, stimmte er zu. „Es wird toll, wenn es je fertig wird.“
„Zeig mir, wo du die Weberin aufhängen willst“, bat Carolyn. Ihre immer noch nassen Stiefel machten schmatzende Geräusche auf dem Kies, als Brody und sie zur Haustür gingen.
Er musste kurz überlegen, wovon sie sprach, doch dann dämmerte ihm, dass sie Primrose Sullivans Bild meinte. Natürlich würde er es noch eine Zeit lang im Blockhaus unterstellenmüssen, aber die Stelle, wo es hängen sollte, hatte er bereits ausgewählt.
Im Hausinneren roch es nach frischem Holz und Mauerwerk, und alle Fenster waren bereits verglast. Er betätigte einen Schalter und erwartete nichts, doch über ihren Köpfen flammte das Deckenlicht auf und ließ das große Wohnzimmer merkwürdig verlassen erscheinen.
Hier werde ich einsam sein, erkannte Brody. Doch einsam war er überall.
Brody schüttelte den Gedanken ab, lächelte Carolyn zu und wies auf die Wandfläche über dem offenen Wohnzimmerkamin.
„Dort“, erklärte er. „Dort soll das Bild hängen.“
Offenbar sah Carolyn es geradezu vor sich. Sie lächelte, wenn auch ein bisschen matt, und
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