Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
ihm zugedacht war. Wie leicht ihm dieser Fehltritt passiert war! Ihm, der sich so fest im Glauben wähnte.
Wie komme ich dazu, andere zu verurteilen?
Graciano wusste, was er zu tun hatte. Er musste in den Schoß seines Vaters zurückkehren.
Er blinzelte und die alte Dame stand wieder sichtbar vor ihm. Instinktiv drückte er ihr einen Kuss auf die Hände und umarmte sie.
„Danke“, war alles, was er hervorbringen konnte.
Die alte Dame lachte überrascht auf und tätschelte seinen Rücken. „Na, na, junger Mann! Machen Sie mich nicht verlegen!“
Der Student lächelte und ließ es zu, dass sie sich bei ihm unterhakte.
„Ich denke, wir sollten uns jetzt schleunigst auf den Weg machen, sonst ist mein Essen völlig kalt, wenn wir auf meinem Zimmer angelangt sind“, meinte sie resolut.
Graciano nickte, froh darüber, nicht sprechen zu müssen.
Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg.
Kapitel 56
„ chatte offline“
Hm, noch immer nicht zurück , dachte Flint.
Er hätte es sich denken können, schließlich war es ihnen bisher nur am Abend geglückt, gleichzeitig online zu sein. Trotzdem hätte es ihn gefreut.
Auch musste er zu seiner Enttäuschung feststellen, dass sie ihm keine Mitteilungen im Offlinemodus geschickt hatte.
Wo steckt sie bloß?
Um sich selbst ein wenig zu beruhigen, hinterließ er ihr noch einige Nachrichten.
umbra:
hallo, katharina
ich bin es noch mal
komme gerade von desmondo
umbra:
wir hatten unser
offizielles abschlussgespräch
=)
umbra:
wir haben morgen noch einen letzten termin
vermutlich fahren wir dann zu diesem irren gustave
umbra:
schließlich ist der dann
ab sofort mein ordensoberhaupt
leider *seufz*
umbra:
;-)
na ja, ich werde es überstehen
bin gespannt
wie die aufnahme vonstatten geht
umbra:
hm …
hoffe, wir sehen uns später noch
würde gerne von deiner prüfung hören
umbra:
drücke dir die daumen, dass alles gut läuft
melde dich, ja?!
~ Flint
Ein leises Seufzen entrang sich seiner Kehle. Er vermisste Katharina, obwohl sie sich erst gestern ausführlich per Chat unterhalten hatten. Außerdem beschlich ihn ein zunehmend ungutes Gefühl, was sie betraf. Irgendetwas stimmte nicht.
Es ist so gar nicht typisch für sie, sich nicht zu melden , dachte er betrübt.
Schnell ging er zurück aufs Zimmer und kramte sein Handy aus dem Rucksack. Mist! Akku leer. Sie könnte mich schon tausendmal angerufen haben und ich habe es nicht einmal gemerkt! Ob es ihr gut geht?
Er sollte von seiner Sorge jedoch schon bald abgelenkt werden.
Er dachte, der Tod würde ihn gnädig umarmen. Doch als er das nächste Mal die Augen aufschlug, lag er noch immer blutend auf der Steinbank. Wie lange war er ohne Bewusstsein gewesen?
Sein Leib war nicht in der Lage, sich selbst zu heilen. Dafür hatte sein einstiger Freund mit der Wahl seiner Waffe gesorgt. Der Tod würde langsam kommen. Schleichend und qualvoll.
Aber ihm blieb noch etwas Zeit. Er nahm all seine Kraft zusammen und ließ sich zu Boden fallen. Beinahe wäre er auf ihm gelandet. Die toten Augen des Verräters zeigten immer noch einen Ausdruck von Reue. Er aber empfand kein Mitleid für diesen Mann, der sich so schamlos von ihrer Sache abgewandt hatte.
Stöhnend robbte er über den Boden, um noch ein letztes Mal bei ihr zu sein. Als er sie endlich erreicht hatte, war ihre Haut bereits kühl. Alles Leben war aus ihrem Leib gewichen. Er zog sie in seine Arme, dabei liefen heiße Tränen über seine Wangen und sein Herz drohte zu zerreißen.
„Ich finde dich wieder“, hörte er seine erstickende Stimme.
Sie klang wie von fern, denn der Tod hatte seine Klauen bereits nach ihm ausgestreckt und trug seine Seele fort.
Ich finde dich wieder …
„Voll schlimm.“
„Findest du?“
„Ja, schon … Du nicht?“
„Na ja, geht so … Er sah schon schlimmer aus.“
„Finde ich nicht. Ich finde, er sieht mega-schlimm aus.“
„Vielleicht, weil er immer mega-schlimm aussieht?“
Flint musste über seinen eigenen Scherz lachen. Und auch Maxi gluckste vergnügt.
„Na gut, vielleicht sieht er sonst ein wenig besser aus. Aber nur ein ganz kleines bisschen“, behauptete er.
Die beiden hatten von Dozentin Frey die Erlaubnis bekommen, ihren Patienten zu sehen. Sir Fowler war gegen Mittag mit dem Unsterblichen, Maxi und einem älteren Herrn in Cromwell eingetroffen. Valerian war in einem desolaten Zustand gewesen. Er hatte viel Blut verloren und seine Wunden hatten sich entzündet. Es dauerte lange, bis man ihn soweit
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