Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Gefahr warnen.
Zu dritt stachen sie im kleinen Einmaster der Ekiams nordwärts in See, nach Kurkjavok, wo Nenamlelah über ihren Mann Freunde hatte. Doch in Kurkjavok bot sich ein ähnliches, beinahe noch entsetzlicheres Bild als in Icrivavez. Keine Flammen und Monstrositäten mehr. Dafür Ruinen, und in diesen Ruinen aufgehängt wie Wimpel oder aufgespannt wie Wäsche zum Trocknen: Menschenleichen. Verstümmelt entwürdigter, tausendfacher Tod. Der grausame Hohn von Ungeheuern. Gestank drang bis auf das Meer hinaus, das um Kurkjavok herum nicht mehr grün war, sondern sich mit Rot zu Braun gemischt hatte.
Sie segelten, immer auf der Hut vor geflügelten Nachtmahren, durch rauchigen Herbstnebel weiter nach Saghi. Auch Saghi war vernichtet. Die ganze Welt schien zuschanden zu sein.
Erst im Fünften Baronat, in Tjetdrias, fanden die drei Geschwister wieder eine Stadt vor, wie sie ihnen geläufig war. In einem Augenblick der Schwäche erschien Nenamlelah das alles als nicht wahr, doch Donters Blut färbte noch immer die Planken des Bootes rostig, und sie begriff, dass sie die Pflicht hatte, die ahnungslosen Menschen in Kenntnis zu setzen. Alle ahnungslosen Menschen. Sie musste zur Königin.
In Tjetdrias wusste man noch immer von nichts. Das Meer war zu dieser unberechenbaren Jahreszeit nicht allzu befahren. Dass in den letzten Wochen kein Schiff aus dem Sechsten Baronat hier eingelaufen war, verwunderte also niemanden, und die Schiffe aus Tjetdrias, die ins Sechste aufgebrochen waren, hatten sich noch nicht wieder eingefunden. »Rechnet nicht auf sie«, sagte Nenamlelah bitter, und die Menschen erbleichten bis ins Mark.
Man organisierte in Windeseile eine Nachrichtenkette die Küste nordwärts, eine Verteidigung der Stadt auch gegen Angreifer aus der Luft und schnelle Pferde für Nenamlelah und ihre Brüder, damit sie unverzüglich nach Orison-Stadt aufbrechen konnten. In jedem der drei Schlösser des Fünften Baronats wechselten sie die Pferde, und in jedem dieser drei Schlösser sorgten sie landeinwärts mit ihrer Meldung von einem Großangriff der Dämonen für Entsetzen. Es gab auch welche, die über die drei »Inselkinder« spotteten, doch draußen im Herbsthimmel rollte der Donner und zuckten die Blitze, und der Untergang Orisons schien keine allzu weit hergeholte Vision zu sein. Die drei »Inselkinder« waren dunkel genug, um als Melder eines Verhängnisses glaubhaft zu sein.
Das Fünfte Baronat gürtete sich in Eisen und Hartleder.
Nenamlelah und ihre beiden Brüder erreichten Orison-Stadt und wurden unverzüglich – da nacheinander von drei Schlössern mit Vollmachten ausgestattet – zur Königin Lae I. und ihrem Berater Taisser Sildien vorgelassen. Sie bemerkten den Prunk, in den sie geführt wurden, kaum. Das war alles nur Zierrat an den Rändern ihrer durch Furcht und Verlust eingeengten Wahrnehmung.
»Und wir haben uns schon gewundert«, sagte die Königin mit düster in die Ferne weisendem Blick, nachdem Nenamlelah ihren Bericht beendet hatte. »Bereits seit Wochen gibt es keine Brieftauben, berittenen Kuriere oder anderweitigen Kontakt mit Icrivavez, Kurkjavok und Saghi, mit dem Äußeren Schloss und dem Hauptschloss des Sechsten Baronats. Wir haben das dem üblen Wetter zugeschrieben. Der unfreundlichen Jahreszeit.«
»Die Lage der fünf verlorenen Ortschaften auf der Karte des Sechsten Baronats lässt nur einen einzigen Schluss zu«, folgerte Taisser Sildien. »Der Dämonenschlund hat seine Bewohner in die Welt hinausgespien. Das bedeutet, das Siebte Baronat ist ebenso gefährdet, aber bislang erhalten wir aus dem Siebten noch Lebenszeichen, und zwar unaufgeregte Lebenszeichen von allen vier Hafenstädten und drei Schlössern.«
»Das bedeutet, die Dämonen machen nicht einfach nur alles im Umkreis zunichte«, überlegte die Königin leise. »Ein kurzer Abstecher zur Küste vielleicht, um keine Feinde im Rücken zu haben. Aber sie gehen nicht ins Siebte, sondern nach Norden bis zum Hauptschloss des Sechsten. Ihr Ziel ist Orison-Stadt.«
»Ich verstehe nicht, warum es so wenig Leute gibt, die uns berichten konnten.« Taisser Sildien wurde sich immer noch über einiges nicht klar. »Warum sind wir nicht längst von mehreren Seiten informiert worden, wenn tatsächlich auf unserem eigenen Grund und Boden so etwas wie ein Feldzug im Gange ist?«
»Weil sie keine Überlebenden zulassen«, sagte Nenamlelah. »In den Städten, die wir gesehen haben, rührte sich überhaupt nichts mehr. Ich
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