Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Meine süße Königin , wenn sie unter sich waren. Taisser Sildien stützte sich auf einen Glasvitrinenschrank, um erst einmal wieder zu Atem zu kommen. »Nach allem, was wir jetzt erfahren haben, ist das Heer der Dämonen um ein Vielfaches größer, als wir bislang angenommen hatten. Kein noch so guter Feldherr kann eine derartige Tatsache in ihr Gegenteil verkehren. Dass Belischell einen Rückzug immerhin versucht hat, zeigt, dass er nichts davon hielt, seine Leute einfach nur zu verheizen.«
»Aber im Rückwärtsgehen haben sie noch viel weniger ausrichten können als mit einem Sturmangriff! Hätte er attackiert, hätten die Dämonen jetzt vielleicht … 30 000 Mann weniger! Immerhin 30 000!«
»Hätte, wäre, wenn. Vielleicht wären aber auch einfach nur alle Menschen draufgegangen, und Orison-Stadt hätte nicht gewarnt werden können.«
Die Augen der Königin sprühten stolze Funken. »Du verstehst wirklich nicht viel vom Militär, Taisser. Belischell hätte angreifen können und gleichzeitig berittene Melder zu uns schicken. Man kann auch zwei, drei oder vier Dinge gleichzeitig tun als Befehlshaber. Deshalb nennt man einen Koordinator ja auch Koordinator.«
»Gut, geben wir ihm die ganze Schuld! Vergessen wir einfach, dass wir es waren, die ihn gegen eine mindestens dreifache Übermacht geschickt haben. Vergessen wir, dass diese junge Witwe von der Insel Rurga uns etwas von 10 000 Dämonen erzählt hat, und nicht von 100 000. Wahrscheinlich hat sie ja vom Wasser aus auch nur 10 000 gesehen. Vergessen wir das alles einmal. Die Frage ist: Was tun wir jetzt?«
»Das ist keine Frage. Da gibt es nichts zu diskutieren. Uns bleiben noch ein oder zwei Tage. Wir befestigen die Mauern, lassen Waffen und Proviant ausgeben, binden den Feind durch eine Belagerung unserer Stadt, unterrichten die Baronate im Norden und hoffen darauf, dass sie Mittel und Wege finden, den gebundenen Feind nach und nach zu dezimieren.«
Taisser Sildien schüttelte einfach nur den Kopf. »Vergib mir meine deutlichen Worte, meine Königin – aber das ist Schwachsinn.«
»Schwachsinn?!«
»Ja, Schwachsinn. Weil wir niemanden mehr haben, mit dem wir die Mauern bestücken können. Wir haben 18 000 Menschen aus unserer Stadt dem Feldzug Hugart Belischells mitgegeben. Achtzehntausend , meine Königin! Und diese 18 000 Menschen haben auch 18 000 Waffen und Rüstungen mitgenommen. Wir haben niemanden mehr. Willst du Greisinnen mit Kochlöffeln bewaffnet auf die Zinnen stellen, damit sie zwölfarmige Riesen zurückschlagen? Hast du denn nicht gehört, wie diese … Marna Benesand uns die Dämonen geschildert hat? Das sind Ungeheuer, mit Kräften, die jedes Menschenmaß übersteigen!«
»Unsere Stadt hat an die 40 000 Einwohner. Selbst wenn wir 18 000 verloren haben, sind immer noch 22 000 da, die …«
»Zu alt sind, zu jung, zu schwach, zu verkrüppelt, zu kurzsichtig, zu erkältet, zu rheumatisch, zu schwanger, zu durchfallgeplagt, zu schwerhörig oder sonstwie nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Wenn es hochkommt, werden wir noch ein- bis zweitausend wirklich wehrhafte Leute zusammenkratzen können. Dazu noch etwa10 000 Mütter und Väter, die das Leben ihrer Kinder mit Fingernägeln und Zähnen zu verteidigen bereit sein werden. Aber das genügt nicht, um einer Belagerung für länger als zwei oder drei Tage Widerstand entgegenzusetzen. Teile des Dämonenheeres können fliegen. Spätestens am dritten Tag fluten auch die, die nicht fliegen können, über unsere Mauern, an wahrscheinlich hundert Stellen gleichzeitig.«
Erschöpftes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Die Ornamente des Zimmers leuchteten im Takt ihrer Pulsschläge. Taisser Sildien wusste, wann es besser war, den Mund zu halten. Jetzt mussten seine Worte Wirkung entfalten. Das Eisen glühte und war weich genug zum Formen. Es tat ihm im Herzen weh, so hart mit seiner wundervollen Lae umspringen zu müssen. Aber dies war seine Funktion. Dies war es, was sie von ihm erwartete. Er war nicht ihr handzahmer Bettvorleger, sondern ihr Berater.
»Du erwartest allen Ernstes von mir«, brachte sie stimmlos hervor, »dass ich Orison-Stadt … kampflos aufgebe? Keine Königin, kein König hat das jemals zuvor getan. Als vor einundzwanzig Jahren Irathindurien und Helingerdia sich gegenseitig hochschaukelten zu Raserei und Wahn, da hat König Tenmac III. standgehalten! Ein Knabe nur! Und dennoch wankten die Mauern dieser Stadt nicht an einem einzigen
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