Die Dame aus Potsdam
hatte einen naiv-künstlerischen Touch. Bilder aller Größen an den Wänden, Grafiken, Unikate, aber auch Drucke und Reproduktionen mit Motiven aus dem Musikleben. Aus einer mit weichem Bleistift gezeichneten Partitur schimmerte Beethovens Kopf hervor. Hegewich merkte, daß seine Besucherin die Arbeit aufmerksam betrachtete, und fragte: »Sie verstehen etwas von Musik? – Aber ja, natürlich, jetzt weiß ich’s. Sie spielen doch Orgel, ich habe Sie schon gehört. Bei der Kriminalpolizei hätte ich Sie aber am allerwenigsten erwartet. Den Beethoven habe ich übrigens bei meiner letzten Bonn-Fahrt erstanden; ein Werk von Götzinger, der es hervorragend versteht, das Thema Musik in die Malerei mit einzubeziehen.«
»Eine interessante Arbeit – mal was ganz anderes«, bestätigte die Hauptkommissarin und fügte hinzu: »Damit haben Sie mir auch schon das richtige Stichwort für meine Fragen gegeben.«
»Da bin ich wirklich gespannt.«
»Es geht um die letzte Besuchsfahrt des Bonn-Zirkels. Waren Sie am Wochenende mit dabei?«
»Gewiß, ich bin doch Vorsitzender, Präsident, Sprecher, oder was immer Sie wollen. Das waren ein paar eindrucksvolle Tage. Opernbesuch, Werkstattgespräche und Dampferfahrt auf dem Rhein. Wollen Sie nicht Mitglied werden? Wir brauchen künstlerisch Interessierte… Verzeihung, Sie wollten die Fragen stellen.«
Angelika Lette lächelte über den Eifer des Mannes. »Ich werd’s mir überlegen. Aber deswegen bin ich nicht hier. Ein Kollege von der Bonner Kripo möchte wissen, ob alle Mitglieder des Bonn-Zirkels nach Potsdam zurückgekehrt sind.«
»Das ist alles?« Hegewich war deutlich die Erleichterung anzumerken. »Dann droht mir also keine Verhaftung. Aber zur Bonn-Reise. Wir kommen selten mit voller Besetzung nach Hause. Einige von unserem Zirkel haben Freunde am Rhein, andere hängen für Besichtigungen noch ein paar Tage dran. Die fahren dann mit der Bahn zurück oder werden von jemandem mitgenommen. Diesmal sind sogar drei dort geblieben – zwei Frauen und ein Mann.«
»Wer waren diese drei – können Sie etwas mehr über sie sagen?«
»Nun ja, viel ist das nicht: Silke Marino, Schauspielerin, so zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahre alt. Sie bleibt fast jedesmal in Bonn; sie hat wohl ein Engagement für kleinere Rollen bei einer amerikanischen Werbeagentur. Dann noch Frau Randolf, Beate Randolf, etwas älter als die Marino. Das war übrigens eigenartig; Frau Randolf stand schon mit der Reisetasche in der Hand an der Bustür. Dann hat sie sich’s plötzlich anders überlegt und wollte noch dableiben. Ich müßte mich um nichts kümmern, hat sie gesagt; sie stand noch immer vor dem Hotel, als der Bus abfuhr.«
»Und wer war der Mann?«
»Ein Herr Wagner, ich glaube, Detlef heißt er, in den Vierzigern, dunkelhaarig, immer sehr gut gekleidet, hat wahrscheinlich ziemlich viel Geld. Seine Frau ist Lehrerin in Werder; ich kenne sie aber nicht. Die scheinen beide nicht viel miteinander anfangen zu können, denn er ist bei jedem Treffen und bei jeder Fahrt dabei. Unterwegs sah es so aus, als würde er mit der Marino auf Tuchfühlung gehen. – Aber nun sagen Sie mir doch bitte, warum Sie das alles wissen wollen?«
Die Kommissarin zögerte mit der Antwort und formulierte dann vorsichtig: »Die Bonner Kollegen interessieren sich für einen Mann, der so um die vierzig Jahre alt sein könnte, dunkelhaarig und sehr gut gekleidet.«
»Und wieso kommen Sie da ausgerechnet auf den Bonn-Zirkel?«
»Das weiß ich auch nicht; wir greifen den Bonnern nur etwas unter die Arme. Die Zusammenhänge sollen uns noch mitgeteilt werden. Diese Rückfrage ist ja auch nicht hochoffiziell.«
Hegewich war aufgestanden und kramte in einem Stapel Papiere herum. »Ich werd’ Ihnen mal die Adressen aufschreiben, vielleicht können Sie damit etwas anfangen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen – schönen Dank!«
»Der neuen Polizei helfe ich gern«, sagte Hegewich. »Und nicht vergessen: Die Mitgliedschaft im Bonn-Zirkel ist besonders für Musikfreunde eine feine Sache. Ilse, bist du so lieb und begleitest die Dame nach unten?«
»Ja, Papa«, ertönte eine helle Stimme aus dem hintersten Winkel des Raumes, wo das Mädchen ganz still gewartet hatte. Jetzt aber platzte es mit der lange unterdrückten Frage heraus: »Bist du wirklich von der Polizei?«
»Aber ja.«
»Ohne Uniform?«
Vater Hegewich gab die Antwort: »Die Kriminalpolizei trägt keine Uniform.«
Im Treppenhaus stellte das Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher