Die Delfine von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
und die Jungen fürchten sich davor.«
»Der Sommertod ?«, wiederholte Sheila fragend. War der Sommertod eine ansteckende Krankheit, die alljährlich die Weißwale befiel?
»Das große Sterben«, flüsterte Boga. »Im letzten Jahr hat es meinen Jungen getroffen, Ribo. Er war noch ein Blauling, aber dieJäger haben ihn trotzdem nicht verschont.« Ihre Stimme war voller Trauer.
Es schnürte Sheila die Brust zusammen. Jäger! Sie erinnerte sich an die Sendungen über den Walfang, die sie im Fernsehen gesehen hatten. Ihr war jedes Mal fast schlecht geworden, als sie mitverfolgen musste, wie die Walfänger große und kleine Wale gejagt hatten. Gegen die schnellen Hightech-Fangschiffe hatten die Tiere keine Chance. Es gab immer wieder weltweite Proteste gegen das blutige Schlachten, aber die Jagd auf die Wale ging dennoch weiter.
»Hast du … hast du davon deine Narben?«, fragte Sheila gepresst.
Boga verneinte. »Die stammen von einem Eisbären. Er hat mich im letzten Winter fast erwischt. Alles war vereist, und unsere Gruppe hat mühsam ein Loch frei gehalten, damit wir Luft holen können. Der Winter war lang und dunkel, und unser Loch wurde immer kleiner und kleiner. Da sind wir eine leichte Beute für Eisbären. Ich konnte ihm zum Glück unter Wasser entkommen.«
»Aber jetzt ist Sommer«, quiekte eines der Jungen dazwischen und drängte sich vor. »Es gibt massenweise Futter, und unsere Mütter erzählen uns Geschichten, und es wird überhaupt nicht mehr dunkel, und wir können die ganze Zeit spielen …«
Eine Walkuh schubste das Junge zu den anderen zurück. »Sei nicht so vorlaut«, sagte sie. »Pass lieber besser auf, sonst erwischt dich noch der Sommertod .«
Sheila war so fasziniert von den Belugas, dass sie fast vergessen hätte, warum sie gekommen waren. Dann erinnerte sie sich wieder.
»Gibt es noch mehr Lieder über Zaidon?«, fragte sie. »Es ist sehr wichtig für uns. Wir wollen alles über ihn erfahren!«
»Es ist leider unser einziges Lied vom Siebenmeer«, sagte die Walkuh bedauernd. »Vielleicht können euch die Grauen Giganten weiterhelfen. Sie haben ein viel längeres Leben als wir und kennen auch viel mehr Geschichten und Lieder. Wir haben nur einen kleinen Teil von ihnen übernommen, für unsere Kinder.«
Sheila begriff, dass mit den Grauen Giganten wahrscheinlich die großen Grönlandwale gemeint waren, die sich vorwiegend in der Arktis aufhielten.
Das vorlaute Junge war schon wieder neben ihnen. »Ich hab einen Grauen Giganten als Freund«, blökte es. »Der hat mir sogar mal den roten Kristall gezeigt.«
»Schschsch«, machte seine Mutter. »Du weißt, es bringt Pech, darüber zu reden.«
»Der rote Kristall?« Sheila horchte auf. Sie wechselte einen schnellen Blick mit Mario.
»Einer der Steine aus dem Siebenmeer-Lied«, sagte Boga. »Die Grauen Giganten verehren den Platz.«
»Könnt ihr uns die Stelle zeigen?«, fragte Sheila aufgeregt.
»Nein!«, antwortete Boga überraschend scharf.
Die ganze Walherde wurde auf einmal unruhig, die Mütter schoben ihre Jungen in die Mitte.
»Der Platz ist den Grauen Giganten heilig«, sagte Boga. »Fremde bringen an solchen Orten nur Unglück.«
12. Kapitel
Sommertod
Das Wetter war herrlich, der Himmel blau und das Wasser warm.
Fortunatus kletterte über die schmale Leiter an Bord und griff nach dem bereitliegenden Handtuch. Er war im Meer geschwommen, um sich zu entspannen. Doch seine Stimmung hatte sich kaum gebessert.
Barfuß, noch tropfend, ging Fortunatus in die Kajüte, weil er hoffte, dass sich Spy vielleicht inzwischen gemeldet hatte. Er war längst überfällig.
Am Computer blinkte ein rotes Lämpchen, als Fortunatus den Raum betrat. Eine Nachricht! Sofort stürzte Fortunatus an das Gerät, um den Monitor einzuschalten.
Doch es war nicht Spy. Auf dem Bildschirm erschienen zwei wohlbekannte Glupschaugen: der Groll.
»Was ist los?«, fragte Fortunatus gereizt.
»Meister ruft«, sagte der Groll mit seiner knarrenden Stimme. »Gleich sprechen, ja?«
»Stell durch«, murmelte Fortunatus. Es passte ihm gar nicht, dass Zaidon ein Gespräch mit ihm führen wollte. Nervös rieb er mit dem Handtuch seinen Nacken trocken und warf das Tuch dann auf die Couch.
Kurz darauf tauchte auf dem Bildschirm Zaidons mumienhaftes Gesicht auf.
»Ich grüße Sie, Lord der Tiefe.« Fortunatus neigte den Kopf. »Ich hoffe, Sie sind wohlauf. Was kann ich für Sie tun?«
»Gibt es schon Nachricht von den beiden Suchern?«, fragte Zaidon. Er
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