Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
wenig Licht. Und – er war groß. Das ja«, wiederholte sie sich.
» Wie groß in etwa?«
Aber auch das brachte sie nicht sehr viel wei ter. Außer, dass es vielleicht wirklich dergleiche Mann sein konnte wie der, der von einer Nachbarin im Caravan von Brigitte gesehen worden war. Sebastian? Aber was sollte der, falls er überhaupt wieder im v illage war, von Marie gewollt haben? Außerdem war der Schatten am Fenster doch vor Sebastians Besuch gewesen, soweit sie sich erinnerte.
» Meinen Sie, sie könnten ihn erkennen, identifizieren, wenn Sie ihn vor sich hätten?«
Frau Bachmann zuckte mit den Schu ltern.
»Das müsste ich sehen.«
» Und haben Sie eine junge Frau kurz danach gesehen, die auch zum Strand lief?«
» Ja, dieses Mädchen, die immer bei Philippe und Florence ist. Doch eine Vergewaltigung?«
» Nein, sie ist tot.«
In spätestens zehn Minuten hätte sie es sowieso erfahren. Lene verabschiedete sich. Sie fühlte Frau Bachmanns Blick auf sich, das Entsetzen darin festgefroren in der aufkommenden Wärme eines wunderschönen, sorglosen Ferientages.
Kapitel 19
In dem Moment kam eine Sturmböe. Aha, der Mistral, wie er hier landläufig genannt wurde - obwohl es sich eigentlich in seiner Windrichtung um den Tramontagne handelte - meldet sich an, dachte Lene. Sie brauchte nicht auf die Uhr zu sehen, es würde jetzt kurz vor zehn sein. Immer kam die erste Böe um kurz vor zehn. Der Wind aus den Bergen war pünktlich und würde sie alle nervös und unruhig machen. Mist, denn er würde auch den Tatort mit Sand überziehen, der wäre in wenigen Minuten unbrauchbar für die Spurensuche.
Sie ging zurück zu Renaud . Monsieur Foulois, der Direktor des Campingplatzes hatte gerade sein Gespräch mit Renaud beendet und verabschiedete sich mit einem Nicken auch von Lene.
Die Techniker hasteten zwischen dem Mordscha uplatz und den Autos hin und her, versuchten eine grüne Plane gegen die vom Land kommenden Böen aufzuspannen um dahinter noch die Spuren sichern zu können, bevor der Wind alles zerstören würde. Aber schon das war problematisch.
» Wirst du hier noch gebraucht?«, fragte sie Luc. »Sonst könnten wir irgendwo einen Kaffee trinken und die Lage besprechen.«
Er nickte, sagte den anderen Bescheid und sie gingen hinauf zum Strandcafé. Der Blick auf das Meer war wunderschön. Es leuchtete jetzt türkis, die ersten Schaumkronen bildeten Akzente. Sie setzten sich nahe an die Hauswand um vor dem Wind geschützt zu sein und orderten Frühstück für zwei bei dem noch ziemlich verschlafenen Kellner. Lene berichtete von Frau Bachmanns Beobachtung.
» Das gibt dem Ganzen ja schon etwas Kontur. Wir wissen, es könnte ein großer Mann sein mit irgendwie dunklem Haar«, spottete Luc, aber die Verzweiflung klang in seiner Stimme durch. »Weißt du, was in spätestens einer Stunde hier los ist? Es wird die Hölle. Die Medien sind das eine, aber diejenigen, die jetzt abfahren, weil sie Angst bekommen, werden zu einer Massenhysterie führen, wenn wir Pech haben. Da treibt sich ein Mörder herum, der schon zwei Frauen ermordet hat. Und unser Mörder haut gleich mit ab. Schließlich kann man keinem zumuten in so einem Campingplatz – oder in so einer Anlage insgesamt – Urlaub zu machen. Alles ist hoffnungslos. Wir wissen nicht einmal, wo wir anfangen sollen. Wir haben eine DNA, aber keine Tätervermutung, mit dessen DNA wir sie vergleichen könnten. Der Bürgermeister mit seinem Vetorecht bei der Vorgehensweise sieht jetzt ganz schön dumm aus. Denn dies v illage ist sein Paradestück, auf das er stolz ist. Sollen wir jetzt doch den Ausgang abriegeln? Und, wie soll das bei dieser Ferienstadt, denn ein village, ein Dorf, ist es von der Größe her eher nicht, möglich sein? Um Himmels Willen, Lene, was mache ich jetzt?«
Lene wusste, dass er diese Frage mehr sich selbst gestellt hatte als ihr. Sie wusste, wie er sich fühlte. Dieser zweite Mord sprengte die Normalregeln, die an so einem Ort besonders heikel waren. Und auch sie befürchtete, dass dieser Mord zu viel wäre für die zugegebenermaßen große Akzeptanzbreite und Anpassungsfähigkeit der Bewohner.
» Wir müssen die Bewohner um Mithilfe bitten! Sie mit einbinden – und betonen, dass es sich um zwei Freundinnen handelt, die Verbrechen also miteinander zu tun haben. Es ist kein Serienkiller unterwegs. Damit appellieren wir an die Vernunft der Urlauber und bringen sie vielleicht aus der Angst heraus.«
» Ja, das könnte gehen.«
Sie
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