Die Depressionsfalle
depressiver Patient sein, der für seine phantasierten Missetaten Strafe erwartet und daher den untersuchenden Arzt so lange provoziert, bis dieser am Ende tatsächlich aggressiv oder ungeduldig wird und der Patient sich so bestraft fühlen kann. Wir haben gelernt, dass es von gröÃter Wichtigkeit ist, sich über das Wesen übertragener Gefühle im Klaren zu sein. Das Bewusstsein, dass diese Gefühle aus der Vergangenheit übertragen werden, hilft bestimmte Situationen objektiver zu betrachten. Der Bedeutung von Ãbertragung und Gegenübertragung für ein diagnostisches Erstgespräch und für den anschlieÃenden psychotherapeutischen Prozess haben sich auch andere psychotherapeutische Schulen, wie etwa die kognitive Verhaltenstherapie, angeschlossen.
Was versteht man unter Ãbertragung?
Ãbertragung bezeichnet in den psychoanalytischen Therapien den Vorgang, durch den unbewusste Wünsche an bestimmten Personen im Rahmen eines bestimmten Beziehungstyps (in diesem Fall einer Psychotherapie), der sich mit diesen Personen ergeben hat, aktualisiert werden. Es handelt sich dabei um die Wiederholung kindlicher Muster, die nun mit einem besonderen Gefühl von Aktualität erlebt werden. Die Entdeckung dieses Ãbertragungsphänomens verdanken wir Sigmund Freud (1895). Er beobachtete, dass Patienten mit bestimmten Formen von Neurose sich häufig in ihren Arzt verlieben, und er sah darin zunächst eine Belastung und ein Hindernis für die analytische und therapeutische Arbeit. Später aber kam er zu der Schlussfolgerung, dass hier Patienten Gefühle wieder erleben, die sie früher jemand anderem gegenüber gehabt haben, z.B. als Kind einem Elternteil gegenüber. Diese Gefühle hatten zum Konfliktgeführt, waren daher verdrängt worden und fanden Ausdruck in der derzeitigen Erkrankung, den Symptomen. In der psychoanalytischen/psychotherapeutischen Situation traten sie wieder auf. Wir wissen, dass alle früheren Konflikte wie Hass, Eifersucht und Rivalität in die Beziehung zum Psychotherapeuten einflieÃen.
Ebenso wie die Patienten bringen auch Ãrzte bzw. Psychotherapeuten Erwartungen, Befürchtungen und Probleme mit, die aus der eigenen Vergangenheit auf die aktuelle Situation mit dem Patienten übertragen werden. Wenn z.B. in einer Patientin bestimmte Eigenschaften oder Charakterzüge der eigenen Mutter gesehen werden, erlebt sich der Arzt vielleicht in der Rolle eines kleinen Kindes, das dem Erwachsenen einfach nicht helfen kann.
Was versteht man unter Gegenübertragung?
Der Begriff Gegenübertragung beschreibt, wie der Arzt, der Therapeut, Gefühle und Probleme aus seiner Vergangenheit unbewusst auf die Beziehung zum Patienten und auf dessen Probleme überträgt. Supervision und Selbstprüfung sind erforderlich, um herauszufinden, inwieweit spezielle Probleme einzelner Patienten oder einfach nur die Begegnung mit Patienten beim Arzt eigene ungelöste Probleme aktivieren. Wenn das der Fall ist, wird dadurch ihre Wahrnehmung gestört und die Interaktion mit dem Patienten beeinträchtigt. Heute wird der Begriff der Gegenübertagung auch in anderer Weise gebraucht, nämlich um zu beschreiben, wie der Arzt/Psychotherapeut auf die von Patienten übertragenen Gefühle reagiert. Soweit die Reaktion die Gefühle der Patienten richtig spiegelt, ist sie äuÃerst hilfreich für den Therapeuten auf dem Weg zum Verständnis. Oft erschlieÃt sie uns den Zugang zu Gefühlen, die unausgesprochen geblieben sind. Ein Patient/eine Patientin kann z.B. groÃe Besorgnis in uns erwecken, wenn wir erleben, dass das Kind in ihm nach mütterlicher Zuwendung verlangt, obwohl er immer wieder behauptet, keine Hilfe zu brauchen. Das kann bei einem Patienten, dessen Selbstdarstellung jener entspricht, die im zweiten Szenario beschrieben ist, der Fall sein.
Was bedeutet Abstinenz oder technische Neutralität?
Der deutsche Psychiater und Psychoanalytiker, Johannes Cremerius, definiert die technische Neutralität als Forderungen, die an den psychoanalytischen Therapeuten gestellt werden. Die Abstinenz verlange vom Therapeuten/der Therapeutin zweierlei: Erstens, Impulse und Gefühle, gleich welcher Art, zunächst zu zügeln und dahin gehend zu prüfen, inwieweit sie aus der eigenen Konflikthaftigkeit â also jener des Therapeuten â erwachsen, oder ob sie doch Anzeichen von unbewussten Prozessen im Patienten
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