die Detektivin in Jeans
Vaters aneignete, um sie zu verkaufen? Wäre sie mehr auf
ihren Jungen eingegangen, vielleicht würde jetzt nicht dieser schreckliche
Verdacht auf ihm lasten.
Vor einer Woche schon hatte
Florian Seibold ihnen gesagt, daß sich Rainers Unschuld vielleicht bald
erweisen würde.
Doch die Tage vergingen, und
Rainer blieb weiter in Haft.
Sandra sah, wie ihre Mutter
sich quälte. Sie dachte auch an Rainer, der unter Kriminellen im
Untersuchungsgefängnis lebte.
Vergessen waren ihre
geschwisterlichen Streitigkeiten.
Früher hatte Sandra oft
gedacht: Rainer, der boxt mich nur herum. Er soll nur aufpassen! Eines Tages
zahle ich es ihm heim.
Jetzt dachte sie nur: Unser
Rainer! Er war immer um mich besorgt. Er hat mir Frühstück gemacht. Und einmal
holte er mich sogar mit dem Moped ab, als ich auf dem Heimweg von Oma in ein
Gewitter geriet und Oma bei uns anrief, um zu fragen, ob ich noch trocken
heimgekommen sei. Da fuhr er los und suchte mich.
Und da anscheinend nichts
geschah, um den wirklichen Täter zu überführen, beschloß Sandra, selbst etwas
zu unternehmen.
Sie rief Evas Schwester Mieke
an. Bei wichtigen Anlässen hatte Rainer früher Evas Wohnungsnachbarn angerufen
und gebeten, Eva ans Telefon zu holen oder ihr etwas auszurichten.
Sandra benutzte nun die gleiche
Vermittlungsstation. Die Frau am Telefon war auch sehr entgegenkommend und rief
über den Flur, daß Mieke mal rüberkommen möchte.
„Hier ist Sandra Faber, die
Schwester von Rainer“, sagte Sandra mit Herzklopfen und zittriger Stimme. Es
konnte ja sein, daß Mieke nicht mit ihr sprechen wollte, weil sie eine von den
Fabers war.
„Ja?“ fragte Mieke freundlich.
„Ich möchte mal fragen, wie es
Eva geht.“
„Es geht ihr besser“,
antwortete Mieke.
„Darf... dürfen wir sie
besuchen?“
„Nein, das haben die Ärzte
verboten. So gut geht es ihr noch nicht.“
Dann war ihr Typ, der Markus,
also auch noch nicht bei ihr gewesen! Sandra war froh, das zu hören. „Es ist
nur, weil Eva am Telefon sagte, daß sie Rainer was erzählen wollte. Hat sie
schon gesagt, was das war?“
Miekes Antwort kam zögernd.
„Nein... Weiß nichts davon.“
„Ja, dann... Würdest du ihr
ausrichten, daß Sandra angerufen hat? Und ich wünsche ihr gute Besserung.“
„Mache ich, Sandra.“
Sandra fing plötzlich an zu
schluchzen. „Und sag ihr, der Rainer war‚s nicht! Aber ich krieg schon noch
raus, wer‚s getan hat. Unser Rainer würde der Eva nie was tun!“
Auf der anderen Seite der
Leitung blieb es still.
Sandra legte den Hörer auf.
Am nächsten Tag war Sonnabend.
Ihre Mutter begann mit einer neuen Nachtschichtwoche.
Sandra, die ihren üblichen
Kontrollanruf abwarten mußte, verabredete sich mit Joschi für halb neun Uhr
abends. Seine Eltern gingen an diesem Abend aus.
Joschi klingelte pünktlich an
Sandras Tür. Er erschrak, als Sandra ihm öffnete und er ihre Aufmachung sah.
Sandra hatte die Lockenperücke ihrer Mutter aufgesetzt. Sie trug hautenge Jeans
und einen Trägerpulli, der ihr vielleicht vor zwei Jahren einmal paßte, um
ihren Busen besser zur Geltung zu bringen. Ihre Lippen leuchteten knallrot, und
ihre Augen waren schwarz umrändert.
„Wie siehst du denn aus?“
fragte Joschi entsetzt.
„Ich bin doch gerade erst
vierzehn. Die lassen uns nie ins Big Boys, wenn sie das merken.“ Sandra
musterte Joschi. Viel älter als sie sah er auch nicht aus. Natürlich trug er
auch wieder das doofe T-Shirt mit dem Fußball drauf. Doch sie hoffte, die Leute
würden sich auf sie selbst konzentrieren und dadurch Joschi nicht so genau
ansehen. Sie nahm sich vorsichtshalber jedoch vor, als erste ins Lokal zu
gehen. Joschi sollte sich hinter ihr halten.
In der Innenstadt herrschte der
übliche Samstagabendbetrieb. Er war an diesem Wochenende erweitert um einige
hundert Besucher des Open-Air-Folk-Festivals, das auf dem Platz rund um die
Peterskirche stattfand. Jungen spielten Gitarre auf den Steinstufen. Popsänger
röhrten unter einer Baumgruppe ins Mikrophon. Mädchen mit langen offenen
Haaren, in Jeans oder in braunen Kattunröcken tanzten allein oder in Gruppen.
Streifenpolizisten beobachteten das laute bunte Treiben aus einiger Entfernung.
„Hoffentlich kriegen wir keinen
Arger im Big Boys. Die kontrollieren heute bestimmt besonders scharf“,
argwöhnte Joschi und drehte sich besorgt nach zwei im Gleichschritt
daherkommenden Männern um, in denen er Polizeibeamte in Zivil vermutete. Sie
waren ihnen in der Fußgängerunterführung
Weitere Kostenlose Bücher