die Detektivin in Jeans
auch, überlegte
Gesine. Am Wochenende waren nur deshalb gegen Abend die Zufahrtsstraßen in die
Stadt mit Autos verstopft, weil jedermann von seinen Ausflügen rechtzeitig zum
Beginn des Fernsehprogramms zu Hause sein wollte.
Doch Fabers, das wußte Gesine,
bildeten darin eine Ausnahme.
Nur wenn Frau Faber im
Nachtdienst war, schaltete Sandra Spielfilme ein.
Doch heute abend blieb Frau
Faber zu Hause. Im ersten Programm gab es einen Tatort, und das ZDF sendete
eine Oper. Da blieb bei Fabers die „Glotze“ bestimmt dunkel. Krimis waren Frau
Faber zu aufregend. Da konnte sie anschließend nicht schlafen, sagte Sandra.
Und Oper langweilte sie; davon verstanden sie beide nichts.
Dennoch wagte Gesine nicht,
ihrer Oma noch einmal zu widersprechen. Sie war daran gewöhnt, zu tun, was man
von ihr verlangte. Ihr Vater war so lange krank gewesen, daß Gesine früh
gelernt hatte, folgsam zu sein, um ihn nicht aufzuregen.
Hier regte Opa sich auf, wenn
es Ärger mit Gesine gab. Deshalb vermied sie es, sich eigenwillig zu zeigen.
Gesine nahm von Opa den Beutel
mit zwei leeren Flaschen und Geld fürs Bier in Empfang.
Sie würde Sandra trotzdem ihr
Geschenk überbringen. Sandra wohnte schräg gegenüber von „Willis Kneipe“.
Gesine wollte bei ihr klingeln und das Päckchen abgeben.
Vielleicht war es sogar besser,
wenn sie nicht dabei war, während Sandra es öffnete. Frau Faber könnte
unangenehme Fragen nach dem Fundort der Brosche stellen. Gesine besaß zwar
einige Übung im Lügen — Notlügen, um niemanden zu Hause aufzuregen, wie sie es
vor sich selbst rechtfertigte — , doch Frau Fabers Herzlichkeit verwirrte sie
leicht, und dann erzählte sie Dinge, die sie nie ausplaudern wollte. Gesine war
das schon mehrmals passiert.
Als Gesine aus der Haustür
trat, sah sie weiter unten Sandra die Straße überqueren und in „Willis Kneipe“
gehen.
Gesine packte den Beutel fester
und lief. In der Gastwirtschaftstür, die wegen der sommerlichen Hitze
offenstand, prallte sie fast mit Sandra zusammen.
Sie trat mit ihr auf den
Bürgersteig zurück. „Ich konnte nicht mehr kommen. Wir hatten Besuch. Habt ihr
lange auf mich gewartet?“ stieß sie atemlos hervor.
„Nö! Von den anderen war
niemand da. Wir haben uns nur Eistüten gekauft“, erwiderte Sandra.
Dann wäre sie also umsonst
zurückgegangen! Sie hatten ihr nicht mal Bescheid gesagt, daß sie nicht blieben.
Gesine schluckte enttäuscht.
„Ihr hattet gesagt, ihr würdet warten. Ich sollte zurückkommen“, sagte sie
vorwurfsvoll.
„Bist du aber doch nicht,
oder?“ erwiderte Sandra angriffslustig. Sie und Joschi hatten sich nichts dabei
gedacht. Gesine hätte ja gleich mit reingehen können. Es war in ihrer Clique
nicht üblich, daß man aufeinander wartete, es sei denn, man hätte geplant,
gemeinschaftlich etwas zu unternehmen. Jeder kannte die Orte, an denen man sich
aufhielt: mal an der Kirche, mal vor der Schule, in der Eisdiele oder am
Denkmal im Park. Man suchte halt so rum, bis man jemanden traf. Und es war
nicht tragisch, wenn man vergebens suchte. Hauptsache, man hatte Spaß dabei
gehabt. Die meisten von ihnen gingen ohnehin paarweise oder in Gruppen.
Gesine nicht. Jetzt, wo Gesine
sie darauf aufmerksam machte, verstand Sandra, daß Gesine sich von ihnen
versetzt fühlen konnte.
Das ärgerte Sandra. Sie ließ
sich nicht gern unkameradschaftlich schelten. „Stell dir vor, wir hätten
gewartet. Dann würden wir ja jetzt noch da sitzen“, hielt sie Gesine vor.
„Ja, sicher. Ich hatte ja
versprochen, sofort zurückzukommen“, räumte Gesine ein. „Meine Oma ließ mich
nicht fort.“
„Sind wir also quitt“, stellte
Sandra fest.
Während sie miteinander
redeten, waren zwei etwa fünfzehnjährige Jungen mit ihren Freundinnen auf den
Rücksitzen ihrer Mofas vor „Willis Kneipe“, vorgefahren. Die Mädchen trugen
Beutel mit leeren Flaschen.
Gesine wollte vor ihnen
bedient: werden. An heißen Wochenenden ging Willi manchmal das Flaschenbier
aus.
„Ich hole schnell Bier. Wartest
du solange? Ich habe etwas für dich. Warte hier, ja?“ drängte Gesine.
„Ich muß heim. Mein Bruder
heult bestimmt schon nach seinen Zigaretten“, sagte Sandra und zeigte Gesine
die Zigarettenschachtel, die sie in der Hand hielt. „Er ist am See in eine
Glasscherbe getreten und kann nicht gehen.“
Gesine öffnete ihre Geldbörse
und nahm das Päckchen heraus. „Hier“, sagte sie, vor Aufregung errötend. „Das
schenke ich dir.“
„Mir...?“ Sandra
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