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Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Titel: Die Deutsche - Angela Merkel und wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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wandten sich die Vereinigten Staatenin der ersten Amtszeit Obamas anderen Weltregionen zu. Neben der pazifischen Kooperation mit China, von der Amerika schon aus finanziellen Gründen so abhängig ist wie nie zuvor, richtete sich der Blick vor allem auf die islamische Welt. Seine am meisten beachtete Auslandsreise unternahm Obama Anfang Juni 2009, als er zunächst in Kairo eine Rede an die Muslime hielt und anschließend das frühere Konzentrationslager Buchenwald in Thüringen besuchte. Nur mit Mühe gelang es Merkel, sich in das Besuchsprogramm hineinzudrängen: Sie reiste Obama nach Dresden hinterher, wo der Präsident auf dem Weg von Kairo nach Weimar übernachtete.
    Seit Obamas Wiederwahl hat sich das Verhältnis ein wenig entspannt. Der Präsident redet wieder von Klimapolitik, die Kanzlerin hat der Europäischen Zentralbank grünes Licht für eine Krisenbekämpfung à l’Américaine gegeben, und wegen ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind Europäer und Amerikaner wieder stärker aufeinander angewiesen. Aber in einem Punkt werden die Vereinigten Staaten an ihrem neuen Kurs festhalten: Nach den Abenteuern in Afghanistan und im Irak haben sie von weltweiten Militäreinsätzen erst einmal genug. Sollte es vor der Haustür des alten Kontinents Schwierigkeiten geben wie zuletzt in Libyen oder Mali, dann sollen sich die Europäer selber darum kümmern.
    Beim Einsatz in Mali Anfang 2013 war die Lage für Merkel vergleichsweise bequem: Sie musste gar keine Entscheidung treffen. Die Übergangsregierung des afrikanischen Landes hatte direkt bei der früheren Kolonialmacht Frankreich um Hilfe gegen die islamistischen Rebellennachgesucht. Der UN-Sicherheitsrat, der im Dezember das Mandat für eine afrikanische Friedenstruppe erteilt hatte, erklärte das französische Vorgehen im Nachhinein für völkerrechtskonform. Die deutsche Regierung ist aus dem Gremium zum Jahresende 2012 turnusgemäß ausgeschieden und darüber nach dem Libyen-Debakel auch recht froh, allem früheren Bemühen um einen ständigen Sitz zum Trotz.
    So konnte Merkel erst einmal in Ruhe zuschauen. Die französische Armee hatte schon Monate im Voraus die Region erkundet, dann bombardierte sie mit ihren Mirage- und Rafale-Flugzeugen Stützpunkte der Rebellen, rückte schließlich mit Bodentruppen und Spezialkräften in den Norden des Landes vor. Mehrere hundert Menschen starben dabei, entgegen französischen Angaben wohl nicht nur Islamisten. Es war nach deutschem Verständnis ein ziemlich robuster Einsatz. Mit der Bundeswehr hätte man dort ohnehin nichts anfangen können – weil sie solche Einsätze nicht durchführen darf, weil sie sich in der Region nicht auskennt, weil sie dafür nicht ausgerüstet ist.
    Merkel findet, die Afrikaner sollten sich stärker selber kümmern. Schließlich verfügt die Elite des Kontinents über gut gefüllte Bankkonten in Europa. Trotzdem dauerte es viele Monate, bis der im Dezember 2012 beschlossene Einsatz einer afrikanischen Friedenstruppe überhaupt ins Laufen kam. Die Kanzlerin wundert sich, wie selbstverständlich es die Afrikaner finden, dass ihre Soldaten keine Schuhe haben, und rechnet durch, wie lange die Industrie für die Lieferung von Tausenden Stiefeln wohl brauchenwird. Und dann fehlt es den einheimischen Truppen auch an »fahrbaren Untersetzern«, so kann man das wirklich von ihr hören, in einer jener putzigen Merkel-Formulierungen – wie sie schon in der Schule »abgeschwiffen« ist, wenn sie merkte, dass ein Thema plötzlich brenzlig wurde.
    Für eine deutsche Kanzlerin ist das ist eine ziemlich bequeme Logik. Sie läuft darauf hinaus, dass die Europäer nur noch in Europa etwas zu suchen haben. Die Militäreinsätze in Bosnien und im Kosovo waren demnach richtig, alles andere falsch. Solange sich nicht Katalonien gewaltsam von Spanien lossagt oder im gebeutelten Griechenland ein blutiger Bürgerkrieg ausbricht, muss Merkel ihren friedliebenden Deutschen vorerst keine Militäreinsätze mehr zumuten. Stattdessen genehmigt sie Waffenlieferungen in alle Welt, Panzer vom Typ »Boxer« nach Saudi-Arabien oder »Leopard« nach Indonesien. Damit können sich die Länder selbst helfen, vorausgesetzt, die jeweiligen Regierungen werden nicht ihrerseits zum Problem. Man fragt sich, wozu Merkel die Wehrpflicht abgeschafft hat: Sollte die Bundeswehr damit nicht zu einer Truppe umgebaut werden, die jederzeit in den Auslandseinsatz ziehen kann? Oder bleiben unter dem Strich nur die Stimmen junger Wähler, die

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