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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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Mammogramm oder eine Biopsie) als falsch. Diese Zahl ist in den Vereinigten Staaten besonders hoch. Wissenschaftler schätzen, dass im Laufe von zehn Jahren die Hälfte der Frauen, die einmal im Jahr zur Mammografie gehen, mindestens einen Fehlalarm erlebt und dass etwa ein Fünftel von ihnen mindestens einmal biopsiert wird. 11
    Ich finde, Tabelle 10.2 ist ein Beispiel für eine ausgewogene Information, die wir brauchen, um vernünftige Entscheidungen über das Screening zu treffen.
    Tabelle 10.2 Beide Seiten der Medaille – eine Bilanz der mammografischen Früherkennung bei fünfzigjährigen Frauen
1000 Fünfzigjährige gehen 10 Jahre lang jährlich zur Mammografie:
Vorteile
Nachteile
1 entgeht dem Tod durch Brustkrebs
2 bis 10 werden Opfer einer Überdiagnose und unnötig behandelt
    5 bis 15 erfahren früher als ohne Screening,
dass sie Brustkrebs haben; ihre Prognose
wird davon jedoch nicht beeinflusst. 12
    250 bis 500 erleben mindestens
einen falschen Alarm
    (etwa die Hälfte von ihnen wird biopsiert)

    Diese Bilanz wird uns nicht oft vorgelegt; aber immer mehr Menschen verlangen vollständige Rechenschaft über die Auswirkungen der Früherkennung. 13 In Großbritannien haben Wissenschaftler und Patientenschützer vor Kurzem durchgesetzt, dass der staatliche Gesundheitsdienst des Landes seine Broschüre über die mammografische Früherkennung umgeschrieben hat. Er weist nun ausdrücklich auf diese Zahlen hin und informiert die Patientinnen zum ersten Mal genau über Überdiagnosen.
    Einige der überzeugendsten Aussagen zur Gesundheit handeln von der Früherkennung. Leider sind die Beweise weniger überzeugend. Der Nutzen der Früherkennung ist oft unbekannt; aber er muss klein sein – einfach deshalb, weil nur wenige Gesunde die Krankheit bekommen, die bekämpft werden soll. Darum müssen an guten, randomisierten Studien über einen langen Zeitraum viele Menschen teilnehmen.
    Wenn es solche Studien gibt, wissen Sie immer noch nicht, ob das Screening den Menschen hilft. Sie wollen wissen, in welchem Umfang es hilft: Wie stark hat die Früherkennung das absolute Sterberisiko (oder das Risiko für ein Fortschreiten der Krankheit) verändert? Und Sie wollen wissen, was die Menschen durchgemacht haben, um von der Untersuchung zu profitieren: Wie viele Menschen wurden untersucht, wie oft kam es zu einem Fehlalarm, wie viele Überdiagnosen gab es, und wie viele Menschen mussten unter unnötigen Behandlungen leiden? Diese Daten sind nicht so leicht erhältlich, wie sie sein sollten. Ich hoffe, dass sich das bald ändert (einige Wissenschaftler arbeiten daran).
    Aber in Wahrheit werben viele Stellungnahmen für die Früherkennung, obwohl ihnen keine randomisierten Studien zugrunde liegen. Sie enthalten stattdessen bequeme, aber fehlerhafte Zahlen (wie die Überlebensrate in fünf Jahren), persönliche Anekdoten über Leute, deren Leben »gerettet« wurde, oder furchteinflößende Behauptungen über eine neue Epidemie. Keine dieser Aussagen enthält die Information, die Sie wirklich brauchen: Senkt die Früherkennung das Sterberisiko?

Kapitel 11
Durchschauen Sie das System
    Wie kommt es zu Überdiagnosen? Zuallererst haben die Ärzte ein natürliches Interesse an Diagnosen. Dafür werden wir ausgebildet: Wir hören den Patienten zu, untersuchen und testen sie, um herauszufinden, was ihnen fehlt. Immer häufiger machen wir uns jedoch Gedanken darüber, was ihnen in Zukunft fehlen könnte – das heißt, wir denken über Früherkennung nach. Deshalb sind Überdiagnosen möglich. Überdiagnosen kommen nur vor, wenn wir Diagnosen stellen und Menschen als anormal oder als gefährdet einstufen, noch bevor sie Symptome haben.
    Aber was treibt uns dazu, mehr Frühdiagnosen zu stellen? Wenn Sie nur eines der kritischen Bücher über das Gesundheitssystem gelesen haben, kennen Sie wahrscheinlich eine Antwort: Es geht nur ums Geld, und die Hauptschuldige ist die Pharmaindustrie. Mehr Diagnosen bedeuten mehr verordnete Medikamente und mehr Profit. Wenn Sie einen Arzt nach dem Grund der vielen Frühdiagnosen fragen, wird er wahrscheinlich auf die Rechtsanwälte verweisen (mit ein paar saftigen Adjektiven). Vielleicht hören Sie auch den Ausdruck Patientenwillen . Und wenn Sie mit einem Vertreter des Gesundheitswesens sprechen oder mit einer Organisation, die sich für Menschen mit bestimmten Krankheiten einsetzt, hören Sie eine weitere plausible Antwort: echte Überzeugung. Viele Leute glauben wirklich, dass mehr frühe Diagnosen

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