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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Kerl gerade tat!«, wunderte sich Brian. »Sind sie hier alle verrückt, Ned, diese Londoner?«
    Mallory nickte nüchtern. Dann gab er sich einen Ruck und sagte in erzwungener Munterkeit: »Aber nichts, was ein guter rechter Arm nicht heilen könnte!« Und er schlug Tom auf die Schulter. »Du bist ein Boxer, Tommy! Du hast ihn hingelegt wie einen geschlachteten Ochsen!«
    Brian schnaubte, verbiss sich ein Lachen. Tom lächelte schüchtern, rieb sich die Knöchel.
    Fraser richtete sich auf, steckte die Handschellen ein und ging eilig weiter. Die Brüder folgten ihm. »Es war nicht so viel«, sagte Tom.
    »Was?« erwiderte Mallory. »Diesen schweren Jungen niederzuschlagen? Das soll dir erst mal einer nachmachen!«
    »Es war kein fairer Kampf«, sagte Tom. »Er mit gebundenen Händen …«
    »Ein Schlag!«, schwärmte Brian. »Du hast ihn hingelegt wie eine Eichenplanke.«
    »Still jetzt!«, zischte Fraser.
    Sie verstummten. Die Durchfahrt endete in dem verlassenen Grundstück eines abgebrochenen Gebäudes. Die geborstenen Fundamente waren bedeckt mit zerbrochenen roten Ziegeln und grauen Splittern alter Deckenbalken. Der Himmel lastete gelb-grau auf der Stadt.
    »Sie können uns nicht gehört haben, Mr. Fraser«, sagte Tom. »Nicht mit dem Lärm, den sie mit meinem Dampfwagen machten.«
    »Es ist nicht diese Bande, die mir jetzt Sorgen bereitet, Tom«, sagte Fraser, nicht unfreundlich. »Aber wir können hier jederzeit auf andere stoßen.«
    »Wo sind wir?«, fragte Brian. »Gott im Himmel! Was für ein Gestank!«
    »Die Themse«, sagte Fraser.
    Am anderen Ende des Grundstücks erstreckte sich eine niedere Ziegelmauer. Mallory zog sich hinauf und drückte seinen Atemschutz unwillkürlich fester gegen Mund und Nase. Die andere Seite der Ziegelmauer – sie war Teil der Uferbefestigungen – fiel drei Meter zum Flussbett ab. Es herrschte Ebbe, und die geschrumpfte Themse war ein träges Glänzen zwischen weiten Schlammflächen, die sich zum Wasser hin langsam absenkten.
    Am anderen Flussufer stand das Stahlgerippe des Leuchtfeuers Cuckold’s Point, geschmückt mit nautischen Signalwimpeln. Mallory konnte sie nicht entziffern. Quarantäne, vielleicht? Blockade? Der Fluss lag fast verlassen.
    Fraser überblickte die Schlammflächen zu Füßen der Uferbefestigung. Mallory folgte seinem Blick. Kleine Boote lagen im grau-schwarzen Schlamm wie einzementiert. Da und dort, wo die Kloaken von Limehouse in den Fluss mündeten, standen schleimig schillernde Pfützen und Rinnsale in den prielartig ausgewaschenen Rinnen im Flussschlamm.
    Etwas wie eine Brise – doch es war keine Brise, sondern ein warmer, fast klebriger, stinkender Luftzug – wehte von der Themse landeinwärts. »Lieber Gott!«, murmelte Brian in mattem Entsetzen. Er zog sich rasch von der Mauer zurück.
    Mallory überwand die aufsteigende Übelkeit. Es war nicht einfach. Offensichtlich übertraf die Themse bei Ebbe selbst den berüchtigten Gestank in den Decks der Truppentransporter.
    Auch Thomas war blass geworden, schien jedoch unempfindlicher als Brian – vielleicht immunisiert durch die Koh lengase aus den Schornsteinen von Dampfwagen. »Ich wusste, dass wir auf dem Land eine Dürre haben, aber dies hätte ich mir nie träumen lassen«, sagte Tom durch seinen Atemschutz. Seine geröteten Augen suchten besorgt den älteren Bruder. »Die Luft, das Wasser, Ned – wohin soll das führen? So schrecklich kann es noch nie gewesen sein!«
    Fraser verzog das Gesicht. »Im Sommer ist London nie, was es sein könnte …«
    »Aber sehen Sie sich den Fluss an!«, rief Tom aus. »Und oh, da kommt ein Schiff!« Ein großer Raddampfer arbeitete sich die Themse aufwärts, und es war in der Tat ein sehr merkwürdig aussehendes Fahrzeug, denn der Rumpf war flach wie ein Floß, mit einem Aufbau aus gerundetem, genietetem Eisen. Die schwarzen gepanzerten Bordwände wiesen vom Bug bis zum Heck eine lange Reihe weißer Vierecke auf: Geschützpforten. Am Bug standen zwei Seeleute mit Gummihandschuhen und Helmen mit Atemschläuchen und maßen mit bleibeschwertem Lot die Wassertiefe.
    »Was für ein Schiff ist das?«, fragte Mallory.
    Brian überwand sich, trat zur Mauer und spuckte hinüber. »Ein Panzerschiff«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Ein Flussmonitor.«
    Mallory hatte von solchen Fahrzeugen gelesen, aber niemals eines gesehen. »Kommt es vielleicht aus Amerika zurück, vom Mississippi-Feldzug?« Er beschirmte die Augen mit einer Hand und wünschte, er hätte ein

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