Die Doppelgaengerin
fragte: »Was meinst du dazu?«
»Sechs Wochen sind lang für eine Frau, die auf einen Mann fixiert und verrückt nach ihm ist«, urteilte Mom. »Wahrscheinlich ist es niemand von seiner Seite. Und was ist mit dir? Weißt du, ob einer der Männer, mit denen du quasi was hattest, sich hinterher mit einer Verrückten zusammengetan hat, die krankhaft eifersüchtig auf ihre Vorgängerin sein könnte?«
Quasi was hattest bedeutet in Muttersprech ein paar Dates, vielleicht auch ein bisschen mehr, ohne dass sich etwas Ernsthaftes daraus entwickelt hätte, ehe wir wieder auseinander gegangen waren.
»Ich habe keinen Kontakt zu meinen Verflossenen, aber ich schätze, das lässt sich rausfinden«, sagte ich. Vorausgesetzt, ich erinnerte mich an alle Namen.
»Eine andere Möglichkeit will mir nicht einfallen«, sagte Mom. »Sag Wyatt, dass er den Fall bald gelöst haben muss, weil Großmutters Geburtstag bevorsteht und wir ihn nicht feiern können, wenn du dich verstecken musst.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, gab ich diese Anweisung an ihn weiter, und er nickte, als hätte er verstanden, dabei bin ich ziemlich sicher, dass er keine Ahnung hatte, was Granny angeht. Er hat keine Vorstellung von dem heiligen Zorn, der auf unsere Köpfe herabregnen würde, falls sie sich irgendwie vernachlässigt fühlen sollte. Sie sagte immer, in ihrem Alter gebe es nicht mehr viele Geburtstage zu feiern, und darum sollten wir sie, wenn wir sie wirklich liebten, gebührend begehen. Wie unschwer zu erraten, ist Grammy Moms Mutter. Sie wird vierundsiebzig, ist also nicht wirklich alt, aber sie spielt ihr Alter nach allen Regeln der Kunst aus, wenn sie ihren Kopf durchsetzen will.
O Mann. Genetik ist echt irre, oder?
Ich setzte den Röntgenblick ein. »Also raus damit. Wie heißt sie?«
Er wusste genau, wen ich meinte. »Ich hab’s gewusst«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich hab gewusst, dass du dich darauf stürzen würdest wie ein Aasgeier. Es war nichts dabei. Ich bin auf einer Konferenz einer alten Bekannten begegnet und – es war wirklich nichts dabei.«
»Nur dass du mit ihr geschlafen hast«, warf ich ihm vor.
»Sie hat rote Haare«, sagte er. »Und sie arbeitet als Detective in – Scheiße, nein, ich werde dir nicht verraten, wo sie arbeitet. So blöd bin ich nicht. Du hättest sie morgen am Telefon und würdest sie entweder als Mörderin beschimpfen oder dich mit ihr über mich austauschen.«
»Wenn sie Polizistin ist, kann sie jedenfalls schießen.«
»Blair, vertrau mir. Bitte. Glaubst du wirklich, ich würde auch nur eine Sekunde zögern, sie zum Verhör zu bestellen, wenn ich auch nur die leiseste Möglichkeit sehen würde, dass sie zu so was fähig sein könnte?«
Ich seufzte. Er hatte schnell gelernt, die Dinge so auszudrücken, dass mir wenig Raum zur Interpretation blieb, und er verstand diese Gabe geschickt einzusetzen.
»Trotzdem muss es jemand sein, der eifersüchtig auf mich ist«, beharrte ich. »Mom hat Recht. Ich habe Recht. Es ist was Persönliches.«
»Das sehe ich auch so.« Er stand auf und begann sich auszuziehen. »Es ist schon nach Mitternacht. Ich bin müde, du bist müde, und wir können das besprechen, wenn wir die Haaranalyse haben. Dann wissen wir wenigstens, ob wir es mit einer echten Schwarzhaarigen oder mit jemandem zu tun haben, der sich die Haare zur Tarnung gefärbt hat.«
Was die Müdigkeit anging, hatte er Recht, deshalb beschloss ich, dass er mit dem Übrigen auch Recht hatte. Ich zog mich ganz aus und krabbelte nackt unter die kühle Decke. Er schaltete das Licht aus und schlüpfte zu mir unter die Laken, wo mir kurz darauf dämmerte, dass das mit dem Müdesein eine dicke Lüge gewesen war.
27
In dieser Nacht träumte ich schon wieder von meinem roten Mercedes. Diesmal gab es keine Brücke in meinem Traum, aber dafür eine Frau, die vor meiner Motorhaube stand und mit einer Pistole auf mich zielte. Sie hatte mausbraunes Haar, das gern blond gewesen wäre, aber nicht ganz hinkam. Merkwürdig war, dass ich am Straßenrand vor der Wohnung parkte, in der Jason und ich direkt nach unserer Hochzeit gewohnt hatten. Wir hatten nicht lange dort gelebt, etwa ein Jahr, und dann unser Haus gekauft. Bei unserer Scheidung hatte ich Jason das Haus mitsamt allen Hypotheken mit Freuden überlassen und dafür das Kapital eingestrichen, das ich zur Gründung des Great Bods brauchte.
Obwohl die Frau in meinem Traum mit einer Pistole auf mich zielte, hatte ich kaum Angst. Statt mich zu fürchten, war ich
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