Die Doppelgaengerin
Zeit der Welt. Vielleicht ist jemandem aufgefallen, dass ich nicht das Gleiche über meine Schwester Jenni sage, die sich immer noch für eine kleine Prinzessin hält. Außerdem habe ich ihr nicht vergessen, dass ich sie dabei erwischt habe, wie sie aus freien Stücken meinen Mann geküsst hat. Natürlich reite ich nicht ständig auf dieser Sache herum und komme meist auch gut mit ihr aus, aber vergessen habe ich es nicht.
»Mach keine unerfüllbaren Versprechungen; am Ende könnte es dir passieren, dass ich nicht nur dein schönstes Kleid ausleihen will. Ach übrigens, hier sucht dich jemand, und er hört sich wütend an. Willst du raten, wer es ist? Ein kleiner Tipp: Er arbeitet bei der Polizei.«
Ich war von den Socken, nicht weil er mich suchte oder weil er wütend auf mich war, sondern weil er Siana angerufen hatte. Bei einem unserer Dates hatte ich ihm erzählt, dass ich zwei Schwestern habe, aber ich bin ganz sicher, dass ich ihm nicht ihre Namen oder gar ihre Telefonnummer verraten habe. Andererseits war es wohl albern, überrascht zu sein: Er war Polizist; er musste am allerbesten wissen, wie man jemanden ausfindig macht.
»Wow. Er hat dir aber keinen Druck gemacht, oder?«
»Nein, er klang ganz beherrscht. Er meinte nur, er würde wetten, dass ich deine Anwältin sei. Wie kommt er darauf?«
»Ich habe eine Beschwerdeliste über ihn zusammengestellt. Und ich habe ihm erzählt, dass ich die Liste meiner Anwältin übergeben würde.«
Siana prustete los. »Und was waren das für Beschwerden?«
»Ach, Sachen wie Nötigung, Entführung, pampiges Benehmen. Er hat mir die Liste weggenommen, ich muss also noch mal eine schreiben. Ich bin ziemlich sicher, dass im Lauf der Zeit einiges zusammenkommen wird.«
Jetzt lachte sie laut heraus. »Ich wette, das mit dem ›pampigen Benehmen‹ hat ihm am besten gefallen. Äh – brauchst du mich wirklich? Steckst du in Schwierigkeiten?«
»Ich glaube eigentlich nicht. Er hat mich zwar ermahnt, nicht die Stadt zu verlassen, aber weil ich nicht unter Verdacht stehe, kann er mir das eigentlich nicht vorschreiben, oder?«
»Warum hat er das überhaupt gesagt, wenn du nicht unter Verdacht stehst?«
»Ich glaube, er hat beschlossen, dass er sich wieder für mich interessiert. Oder er wollte mir heimzahlen, dass ich anfangs so getan habe, als würde ich ihn nicht erkennen. Eine Weile habe ich ihn damit fast zur Raserei getrieben.«
»Dann ist es wahrscheinlich beides. Er ist interessiert und er will es dir heimzahlen. Und außerdem will er sicher sein, dass er dich jederzeit erreichen kann.«
»Tja, das war wohl nichts«, sagte ich und rollte weiter auf dem Highway 74 Wilmington entgegen.
7
Ich hätte auf die Outer Banks fahren können, die Inselkette im Norden unseres Bundesstaates, aber ich tippte, dass ich weiter im Süden leichter ein Zimmer am Meer bekommen konnte. Mein Gott, wenn es nötig werden sollte, konnte ich bis nach Myrtle Beach fahren. Aber eigentlich war ich nicht auf Fun aus, sondern auf der Suche nach einem Fleckchen, wo ich ein paar Tage ausspannen konnte, bis sich zu Hause alles wieder beruhigt hatte.
Gegen sechs Uhr abends rollte ich in Wilmington ein und arbeitete mich durch die Stadt in Richtung Wrightsville Beach vor. Als ich endlich den Atlantik sah, seufzte Tiffany – mein inneres Strandhäschen, wie schon erwähnt – zufrieden auf. Sie ist so leicht zu beglücken.
Ich hatte unverhofftes Glück und fand auf Anhieb ein gemütliches kleines Strandhaus; die Familie, die es eigentlich gemietet hatte, hatte soeben ihre Buchung abgesagt. War das nicht super? Ein eigenes Strandhaus war natürlich besser als jedes Motelzimmer, weil ich darin meine Ruhe hatte. Das Haus war ein malerischer kleiner blauer Holzbungalow mit Schindeldach, verglaster Veranda und eigenem Grillplatz. Im Grunde waren es nur drei Räume; die vordere Hälfte des Hauses bestand aus einer winzigen Küche mit Essnische, die zum Wohnzimmer hin offen war. Hinten gab es ein Schlafzimmer und ein Bad, und wer auch immer das Schlafzimmer eingerichtet hatte, hatte offensichtlich schon mit meinem Besuch gerechnet, denn das Bett war mit einem Moskitonetz verschleiert. Ich liebe solchen Schnickschnack, Nippes und feminine Akzente.
Während ich auspackte, läutete mein Handy schon wieder. Es war das dritte Mal, dass Wyatts Nummer im Display erschien, und auch diesmal übernahm meine Mailbox. Das Telefon piepte in regelmäßigen Abständen, um mir zu sagen, dass ich Nachrichten hatte,
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