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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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voraus.«
    Zum ersten Mal versuchte sie, ihm gewissermaßen auf gleicher Ebene zu begegnen: nicht mehr das Kind oder die Heranwachsende, sondern die Erwachsene. Der Kontrast zu ihrem früheren Verhalten war für ihn genauso deutlich spürbar wie - ja, wie der Geruch der Rosen in Mary Carsons wunderschönen Gärten. Rosen. Asche der Rosen. Rosen, Rosen, überall. Blütenblätter im Gras. Sommerrosen, rot und weiß und gelb. Rosenduft, so süß und von betäubender Schwere in der Nacht. Rosarote Rosen, vom Mond zu Asche gebleicht. Asche der Rosen, Asche der Rosen. Meine Meggie, ich habe dich im Stich gelassen. Aber kannst du nicht verstehen, daß du zu einer Bedrohung geworden bist? Deshalb habe ich dich opfern müssen, meinem Ehrgeiz opfern. Unter meinem Absatz habe ich dich zertreten, und jetzt besitzt du für mich nicht mehr Bedeutung - mehr Wesenhaftigkeit - als eine zerquetschte Rose unten im Gras. Der Geruch der Rosen. Der Geruch von Mary Carson. Rosen und Asche. Asche der Rosen.
    »Asche der Rosen«, sagte er, während er sich in den Sattel schwang. »Sehen wir zu, daß wir so weit wie möglich von ihrem Geruch fortkommen. Morgen wird das Haus von ihnen voll sein.« Er gab der braunen Stute die Sporen und galoppierte los, Meggie ein Stück voraus. In seiner Kehle würgte es. Erst jetzt wurde ihm so richtig bewußt, was Mary Carsons Testament ganz konkret für ihn bedeuten würde, schon sehr bald bedeuten würde: daß er Gillanbone und diese Ecke Australiens verließ. Denn eines stand mit Sicherheit fest: Sobald man amtlicherseits von den kaum glaublichen Bedingungen in Mary Carsons Testament erfuhr, würde man ihn nach Sydney rufen, ganz buchstäblich auf der Stelle.
    Nein, in Gilly würde man ihn keinen Tag länger lassen als unbedingt nötig. Und plötzlich spürte er einen tiefen Schmerz, der völlig unerträglich schien und den er dennoch ertrug - wohl weil er ihn ertragen mußte. Dies war nichts in einem vagen, vielleicht nur gedachten Irgendwo, Nirgendwo. Dies war tatsächliche, erbarmungslose Wirklichkeit. Und fast schien es ihm, als könnte er jetzt Paddys Gesicht vor sich sehen, den Zug von Ekel und Widerwillen darin, das Sich-Abwenden. Zweifellos würde er auf Drogheda nicht mehr willkommen sein. Und er würde Meggie nie wiedersehen. Jetzt, auf dem Rücken der braunen Stute, irgendwie half das, dieses flotte Galoppieren, das Gefühl des Schwebens, ja des Fliegens. So ließ es sich leichter ertragen, viel leichter. Bald schon würde er in irgendeinem Raum, in irgendeiner Zelle des Bischofspalastes sein Zuhause haben, würde in Sicherheit sein vor anklagenden Blicken. Ja, immer mehr ließ der Schmerz nach, verschwand schließlich ganz. So war es besser, viel besser war es so, besser jedenfalls, als in Gilly zu bleiben, nur um mit ansehen zu müssen, wie sie sich in ein Wesen verwandelte, das er gar nicht mehr wollte und das er irgendwann mit irgend so einem unbekannten Kerl trauen würde. Wie hieß es doch? Aus den Augen, aus dem Sinn. Gar kein Zweifel, das würde das beste sein.
    Aber was suchte er dann hier? Hier auf seiner Stute am Ufer des Creek, Meggie auf ihrem Pferd fast unmittelbar hinter sich? Es schien, als könnte er nicht mehr klar denken, als wäre er außerstande, eine Antwort zu finden auf das Warum. Das einzige, was er fühlte, war Schmerz. Aber nicht der Schmerz über seinen Verrat. Nur der Schmerz darüber, sie zu verlassen.
    »Pater, Pater! Ich kann mit Ihnen nicht mithalten! Bitte, reiten Sie doch langsamer, Pater!«
    Er verlangsamte das Tempo, zügelte die Stute. Wie in Zeitlupe wendete er das Pferd, wartete auf Meggie. Sie waren jetzt ganz in der Nähe des artesischen Brunnens. Brodelnd kochte es hervor aus dem Rohr, ringsum hatte sich ein Teich gebildet, eher schon ein kleiner See, von dem es schweflig herbeidampfte. Ähnlich wie bei einem Rad die Speichen von der Nabe nahmen hier die Verteilerröhren beim Hauptrohr ihren Anfang, und sie führten das Wasser über beträchtliche Strecken. Doch der Teich rundum schien sich immer weiter auszubreiten, unaufhörlich rieselte und plätscherte es. Die Ränder bildete grauer Schlamm, sehr schlüpfrig, sehr schleimig. In diesem Schlamm lebten jene Süßwasserkrebse, die man Yabbies nannte.
    Pater Ralph begann zu lachen. »Riecht wie die Hölle, Meggie, nicht wahr? Riecht wirklich nach Schwefel! Und dieser Gestank müßte ihr doch eigentlich in die Nase stechen, wenn sie so liegt in ihrem Sarg, umkränzt von Rosen, meinst du nicht? Oh,

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