Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
trostlose Panorama in ein helleres Licht tauchte. Sie musste an Sennars Worte denken, die er einmal unterwegs zu ihr gesagt hatte: Manchmal kommt es mir so vor, als sei diese Welt bereits tot und dass wir gar nichts mehr tun können, um sie zu retten. Niemand würde dem Wald seine frühere Schönheit zurückgeben können. Die Halbelfen würden nicht wiederkehren, und mit ihr selbst würde dieses Volk für immer aussterben. Die verheerten, verwüsteten Länder würden viele, viele Jahre brauchen, um wieder die frühere Pracht zu entfalten, wenn dies überhaupt möglich war. Die ihnen bekannte Welt rang mit dem Tode.
Nach einiger Zeit stand sie auf und befragte den Talisman, aber diesmal sah sie keine Bilder, bloß eine Richtungsangabe. So wanderte sie nach Norden, durch eine trostlose Landschaft, zwischen den Resten gefällter Bäume und niedergebranntem Buschwerk hindurch, über unfruchtbar gewordene Böden. Sie erkannte die Stellen wieder, wo sie mit Sennar zum ersten Mal Himbeeren gepflückt hatte, wo sie zusammen trainiert, wohin Soana sie einmal zum Heilkräutersammeln ausgeschickt, wo sie mit Phos gespielt hatte .... Im Osten erhob sich über den kargen Resten dieses Waldes die Feste des Tyrannen und erschien mächtiger als je zuvor.
Durch ihr Oberteil hindurch strahlte der Talisman und wies ihr den Weg. Nihal spürte seine Kraft und die Nähe der Naturgeister. Zum ersten Mal aber hatte sie keine Vision von dem Ort, zu dem sie unterwegs war, und es sorgte sie, so gar nicht zu wissen, was sie wohl bei dem Heiligtum erwartete.
Sie musste sich jedoch nicht lange gedulden. Nach dreitägiger Wanderung spürte sie, dass ihr Ziel nicht mehr weit war. Um sie herum waren nur verkohlte Baumstümpfe, zu ihrer Rechten erhob sich in der Ferne mächtig die Tyrannenfeste, und nördlich davon meinte sie die Reste einiger Türme zu erkennen. Die Halbelfe befürchtete, es könne Salazar sein. Soweit sie sich erinnerte, ließ sich in vier Tagen der Bannwald durchqueren, und ihre Heimatstadt lag genau am Rand der Steppe.
Und in der Tat gelangte sie kurz darauf zu der Stelle, wo sie ihre Weihe zur Magierin empfangen hatte. Nihal erinnerte sich an eine kleine runde Lichtung mit einem Felsblock in der Mitte und einer Quelle mit klarem Wasser zu einer Seite. Jetzt waren die Bäume, die die Lichtung umstanden, niedergebrannt, anstelle des Grases sah sie nur grauen Erdboden, und die Quelle war versiegt.
Nihal setzte sich auf den Felsblock, während der Mond blass und müde zwischen den Wolken hervorlugte, eine schmale Sichel, die die Dunkelheit nicht vertreiben konnte. Die Halbelfe starrte vor sich hin und dachte daran zurück, wie Sennar sie hier aufgesucht und getröstet hatte. Jetzt fühlte sie sich so wie damals: allein, verängstigt, verloren. Doch es war niemand da, der ihr hätte Mut machen können.
In den ersten Tagen ging in der Höhle im Land der Felsen alles gut. Sennar begann daran zu glauben, dass er es wirklich schaffen konnte. Als er Nihal hatte ziehen lassen, glaubte er nicht, dass er sie jemals wiedersehen würde. Allein und verwundet auf feindlichem Gebiet, gab er sich selbst kaum eine Überlebenschance. Anders als erwartet, hockte er nun aber schon eine Woche in dieser Höhle und hatte kein einziges Mal Schritte über sich gehört. Dort war nur die tiefe Stille des Steinwaldes. So beschloss er, dass es langsam an der Zeit sei, seine Genesung zu beschleunigen. Er wollte so schnell wie möglich wieder zu Nihal.
Am achten Tag war in der Höhle alles friedlich, und sogar etwas mehr Licht als gewöhnlich fiel hinein, vielleicht war draußen ein schöner Tag. Sennar schob sein Gewand zur Seite und betrachtete die Wunde. Sie sah eklig aus. In seinem Oberschenkel klaffte ein tiefer Spalt, ausgefranst und blutverkrustet. Bei der kleinsten Bewegung schössen ihm furchtbare Schmerzen durch das Bein. Ja, er hatte richtig gesehen, auch der Knochen war verletzt.
Ein abgesplitterter Knochen und ein tiefer Spalt im Fleisch. Keine leichte Aufgabe für einen kranken Magier. Er konnte nur versuchen, den Heilungsverlauf ein wenig zu beschleunigen. So machte er sich ans Werk und stellte fest, dass seine Kräfte für einen einfachen Heilzauber ausreichten. Den ganzen Morgen brachte er damit zu. Es war ebendieser Zauber, der sein Schicksal besiegelte. Sennar war eingedöst. Er war müde, das Zaubern hatte seine Kräfte erschöpft, und fast ohne dass er es merkte, hatte ihn der Schlaf übermannt.
Zunächst glaubte er, er träume. Der
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