Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Worte, die der Kobold damals zu ihr sprach, haben sich ihrem Geist eingeprägt, und so trägt sie das Amulett immer bei sich. Sie war es, die mir half, wieder zu mir selbst und ins Leben zurückzufinden, die mich gesunden ließ. Manchmal müssen wir lachen, wenn wir daran denken. Ich hin ein Hinkebein, und ihr Leben hängt bis zum Ende ihrer Tage von einem Talisman ab. Vielleicht sind wir ja die Ruinen der alten Welt. Die Geister aber, die so lange in Nihals Kopf herumspukten, sind fort-, sie haben sich aufgelöst wie Schnee in der Sonne, wurden endlich zum Schweigen gebracht. »Fast fühle ich mich alleingelassen, jetzt, da die Stimmen nicht mehr da sind. Aber sie ist schön, diese Stille, ich empfinde eine Ruhe, die ich gar nicht kannte...«, sagte sie eines Abends zu mir. Von dem Zauber, der sie so lange quälte, ist nichts mehr übrig geblieben, denn auch Rais ist tot. Sie wurde Opfer ihres eigenen Hasses. Am Tag der Schlacht hielt sie sich mitten im Getümmel auf, um der Vernichtung ihres Todfeindes beizuwohnen. Und in dem Moment, da Nihals Schwert ihn durchbohrte, schrie Rais aus Leibeskräften, während ihre milchig weißen Augäpfel weit aus den Höhlen traten. »Er ist tot! Endlich ist das Ungeheuer vernichtet!«
Von der Anhöhe nahe bei der Festung, auf der sie stand, zog es sie in die Ebene hinunter. Berauscht von einer schier unmenschlichen Freude, rannte sie, so als seien all ihre Lebensjahre plötzlich verflogen, auf das einstürzende Bauwerk zu und wurde dort unter den Trümmern begraben. Am nächsten Tag fand man sie, von einem Steinblock erschlagen, in ihren weit aufgerissenen Augen noch derselbe Hass, der sie ihr ganzes Leben geleitet hatte. Von allen Personen dieser Geschichte ist sie die einzige, für die ich kein Mitgefühl empfinden kann, nur eine tiefe Abscheu.
»Letztendlich ist auch sie ein Opfer«, meint Nihal hingegen, »wir sind alle Opfer des Hasses, der in uns schlummert und der nur auf einen Moment der Schwäche von uns wartet, um uns zu ersticken.«
Nachdem wir beide wiederhergestellt waren, erlebten wir eine glückliche Zeit. Die Welt schien uns jung und wie für uns gemacht, und eine Weile glaubten wir, der Tod des Tyrannen habe alles verändert, das Böse sei besiegt und eine Zeit des Friedens angebrochen. Wir hatten überlebt und waren zusammen, was hätten wir uns Schöneres wünschen können? Doch diese Zeit währte nicht lange.
Bald stellten wir fest, dass es nicht nur schwer gewesen war, den Tyrannen zu besiegen, sondern ebenso hart werden würde, aus den Trümmern etwas Neues entstehen zu lassen. Aster und seine Getreuen waren nicht die Schöpfer des Bösen, sondern bloß dessen ahnungslose Kreaturen. Auch wenn wir sie bezwungen hatten, Hass und Niedertracht blieben bestehen.
Zum ersten Mal wurde mir das bewusst, als wir die Tammin aufsuchten. Gleich von Beginn an stellte sich das Problem, wie mit diesen Wesen zu verfahren wäre. Wehrlos und unwissend geworden wie Kinder, hatten sie sich in das Land der Tage geflüchtet, weit entfernt von den grollerfüllten Blicken und den Rachegelüsten der Sieger. Im Rat der Magier berieten wir lange über ihr Schicksal. Die einen schlugen vor, sie auszurotten, andere, sie zu Sklaven zu machen. Erst nach langen, hitzigen Debatten konnte sich meine und Dagons Linie durchsetzen. Die Fammin sollten im Land der Tage bleiben und allein versuchen, ihre Zukunft zu gestalten. Und so machten sich an einem Morgen Nihal, Ido und ich auf den Weg zu ihnen, um sie über diese Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Als wir ihnen entgegentraten, blickten uns viele von ihnen mit Mienen voller Furcht und Entsetzen an, denn sie hatten nicht vergessen, was unsere Leute, auch Nihal, ihnen angetan hatten.
Nihal stieg auf eine Erhebung. Die Ebene zu ihren Füßen war jene, die wir damals zornerfüllt und hoffnungslos auf unserer Reise durchwandert hatten. Es hatte sich nichts verändert, hier herrschte immer noch dieselbe Trostlosigkeit wie zu der Zeit, als Aster an der Macht war, dieselbe Atmosphäre des Todes. Nun jedoch drängten sich hier zitternde, verängstigte Wesen, in eine Welt geworfen, von der sie nichts begreifen konnten.
»Ich weiß, viele von euch werden mich wiedererkennen und sicher nicht in guter Erinnerung haben«, begann Nihal zu ihnen zu sprechen, während sie nervös mit dem Amulett an ihrem Hals spielte. »Ich weiß, dass ich eine Mörderin bin, und ich will euch auch nicht bitten, darüber hinwegzusehen. Begangenes Unrecht kann und darf
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