Die Drachenreiter von Pern 09 - Drachendämmerung
vermißte ihre drei älteren Kinder schon jetzt schrecklich. Ram Da, ihr kräftiger, zuverlässiger, sieben Jahre alter Sohn hatte versprochen, auf Dena und Ben aufzupassen. Die drei Monate alte Cara hatte sie mitgenommen - das Baby war unter Mairi Hanrahans Meute gut untergebracht - sie war also nicht ganz allein. Aber Tarvi war in Karachi und preßte rund um die Uhr Metallblech, er schuftete ebenso hart wie seine Leute, die er bis zum Umfallen antrieb.
»… damit ihr mit jedem Zylinder möglichst lange auskommt«, sagte Drake. »Je mehr Agenodrei und Energie ihr spart, desto länger könnt ihr in der Formation bleiben. Und dort werdet ihr gebraucht. Nun haben die meisten von euch schon Erfahrung mit Turbulenzen. Legt eure Sicherheitsgurte erst ab, wenn ihr am Boden seid. Die leichteren Schlitten können beim Landen umkippen, wenn plötzliche Böen auftreten, weil sie durch die Flammenwerferbefestigungen vorderlastig sind.«
Nachdem Tarvi so unter Druck stand, war es ganz gut, daß sie eine eigene Aufgabe hatte, dachte Sallah. Er hatte ohnehin nur wenig Zeit für sie, und sie würde nicht einmal das Vergnügen haben, neben ihm zu schlafen - oder ihn im Morgengrauen, wenn er zu müde war, um Widerstand zu leisten, mit ihren Zärtlichkeiten zu erregen.
Was machte sie nur falsch? fragte sie sich zum hundertsten Mal. Sie hatte Tarvi nicht eingefangen. Das Verlangen, die Leidenschaft an jenem Tag in der Höhle waren doch auf beiden Seiten echt gewesen. Als sie schwanger geworden war, hatte Tarvi ihr sofort angeboten, das Verhältnis zu legalisieren. Sie hatte nicht darauf bestanden, war aber sehr erleichtert gewesen, daß er die Initiative ergriffen hatte. Während der Schwangerschaft war er rücksichtsvoll, zärtlich und besorgt gewesen, und als sein erstes Kind, ein kräftiger, gesunder Junge, zur Welt kam, hatte er sich vor Freude nicht zu lassen gewußt. Er vergötterte alle seine Kinder, war entzückt, wenn sie geboren wurden und verfolgte begeistert ihre Entwicklung. Nur seine Frau wurde gemieden, beiseitegeschoben, ignoriert.
Sallah seufzte, und ihre alte Freundin Barr warf ihr einen fragenden Blick zu. Sallah zuckte lächelnd die Achseln, zum Zeichen, daß Drake ihr diese Reaktion entlockt hatte. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn sie sich in trauter Zweisamkeit mit Drake Bonneau an seinem See niedergelassen hätte? Svenda schien es an nichts zu fehlen, sie prahlte sogar damit, daß sie ihre Schwangerschaften auf zwei beschränken wolle. In der Öffentlichkeit mochte Drake den selbstsicheren Paradeflieger markieren, aber am Abend zuvor war er doch auffallend nach der Pfeife seiner dominierenden Frau getanzt. Sallah hatte schon immer den Verdacht gehabt, daß bei Drake hinter der Fassade nicht allzuviel steckte. Trotz aller Verschrobenheiten zog sie ihren Tarvi vor und hätte jene freilich immer seltener werdenden Gelegenheiten, zu denen sie seine Leidenschaft wecken konnte, nicht missen mögen. Vielleicht war das der Fehler: vielleicht sollte sie ihm die Initiative überlassen. Nein, das hatte sie schon einmal versucht und war ein Jahr lang kreuzunglücklich gewesen, ehe sie auf die Idee mit den ›Angriffen im Morgengrauen« verfiel.
Sie hatte von Jivan einige Pushtu-Ausdrücke gelernt und sich ganz harmlos nach Frauennamen erkundigt. Nach wem Tarvi auf dem Gipfel der Leidenschaft auch immer rief, eine andere Frau war es nicht. Und soviel sie feststellen konnte, auch kein anderer Mann.
»Nun«, sagte Drake, »hier ist der Einsatzplan für den nächsten Fädenfall. Vergeßt nicht, er erfolgt an zwei Stellen, am Jordan und in Dorado. Wir schicken die Dorado-Geschwader voraus, damit ihr ausgeruht seid, wenn der Kampf beginnt.« Wieder schweifte Drakes Adlerblick über seine bewundernden Schüler. »Und jetzt zurück mit euch zu euren Schlitten, helft den Technikern, wo ihr könnt. Um Mitternacht gehen die Lichter aus. Wir brauchen alle unseren Schlaf«, schloß er fröhlich und entließ sie mit einer Handbewegung.
Svenda trat schnell an seine Seite und schreckte mit ihrer finsteren Miene alle ab, die mit privaten Fragen an Drake herandrängten.
»Seit wann bist du hier, Sallah?« fragte Barr und wandte sich ihr mit dem gewohnt freundlichen Grinsen zu. »Ich bin erst gegen Mittag von unserem Anwesen gekommen. Von der alten Gruppe wußte niemand, bis wann du es schaffen würdest. Mir war gar nicht bewußt, daß die Lage so ernst ist, bis ich auf dem Weg hierher sah, was diese Sporen alles angerichtet
Weitere Kostenlose Bücher