Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
sich wortreich über die Vorfahren aller sechs Wächter auszulassen, als ihm der älteste plötzlich die Speerspitze an die Kehle setzte.
»Was ist Ihr Begehr?«
Die scharfe Spitze bohrte sich ihm nachdrücklich in die Haut.
Jayge schluckte seinen Zorn und alle weiteren Unverschämtheiten hinunter, griff nach dem Speer und schob ihn beiseite, ohne dem eisigen Blick des Wächters auszuweichen.
»Ich muß K'van sprechen, Heths Reiter, und zwar sofort«, sagte er ruhig, aber doch eindringlich. »Thella hat letzte Nacht im Tal gelagert. Ich habe sie heute morgen gehört. Und wenn sie weiß, daß Aramina in der Burg von Benden ist, befindet sich das Mädchen in großer Gefahr.«
Der Speerträger lächelte ein wenig, um ihn zu beruhigen.
»Jemand, der Drachen hören kann, hat allen Schutz, den er braucht. Aber wenn dieses Banditenweib in der Gegend ist, will Lessa sicher Genaueres darüber wissen. Reiten Sie weiter. Ich sage Bescheid, daß Sie kommen.«
Kesso fand den Tunnel unheimlich, trotz der Leuchtkörbe, die ihn in kurzen Abständen erhellten. Er tänzelte, scheute und zuckte ständig mit den Ohren, weil ihn das Echo seiner eigenen Hufe erschreckte. Als er auch noch in den Furchen stolperte, die von zahllosen Karrenrädern über Hunderte von Planetenumläufen eingegraben worden waren, mahnte ihn Jayge mit einem festen Schenkeldruck zur Aufmerksamkeit. Endlich erreichte er ein zweites, inneres Tor, und die Wachen dort winkten ihn weiter in eine riesige Höhle mit Plattformen in unterschiedlichen Höhen zum Abladen von Wagen oder Karren aller Größen. Von dort wurde Jayge in einen zweiten, noch längeren Tunnel geschickt, dessen Ende nur als heller Fleck zu erkennen war.
Er trabte Kesso an, denn er haßte das Gefühl, im Fels eingeschlossen zu sein. Ständig hörte er Geräusche, die ihn ein wenig zu sehr an die Lawine in Telgar erinnerten, und er mußte sich beherrschen, um nicht einfach im Galopp davonzustürmen.
Dann war er im Benden-Kessel und staunte wie der unerfahrenste Lehrling aus dem letzten Hinterwäldlernest.
Der gewaltige Krater - eigentlich nicht ein, sondern zwei Krater, die ineinander übergingen - bildete ein unvollkommenes Oval. Die zerklüfteten, schroff aufragenden Wände waren durchsetzt mit dunklen Weyreingängen.
Auf vielen vorspringenden Simsen lagen bereits Drachen und sonnten sich. Kesso fing eine Nase voll Drachengeruch auf, riß in Panik den Kopf in die Höhe und verdrehte die Augen, bis Jayge das Weiße sah.
Ein Junge kam auf ihn zugelaufen.
»Kommen Sie, Händler Lilcamp, wir bringen Ihren Renner in einem Stall unter, wo er die Drachen nicht wittern kann.« Der Junge deutete nach rechts. »Der Schwarzfelsbunker ist im Moment nicht voll besetzt, dort finden wir genug Platz. Ich hole Wasser und Heu.«
Jayge hatte mit dem verängstigten Tier alle Hände voll zu tun, und als sie endlich das Bunkerinnere erreichten, war Kesso schweißüberströmt. Zum Glück überdeckte der ätzende Staubgeruch des Schwarzfelsens die Drachenwitterung, Kesso vergaß seine Angst und war froh, mit einem Eimer Wasser seinen Durst löschen zu können. Jayge vergewisserte sich, daß das Heu auch gut war, dann ließ er ihn allein.
»Jetzt bitte in diese Richtung, Lessa wartet auf Sie«, sagte der Junge.
Schon der Benden-Weyr hatte Jayge in Staunen versetzt, aber Lessa überraschte ihn kaum weniger. Sie war eine ebenso starke Persönlichkeit wie Thella, aber damit war die Ähnlichkeit auch schon zu Ende. Trotz ihrer zierlichen Gestalt wirkte die Weyrherrin überlegen und trat mit freundlicher Entschiedenheit auf. Er hatte nicht erwartet, besonders höflich behandelt zu werden, schließlich war er nur ein einfacher Händler, aber sie hörte ihm so interessiert zu, daß er ihr ohne weiteres die ganze Geschichte von seiner ersten Begegnung mit Thella und Giron bis zu seinen Beobachtungen im Morgengrauen dieses Tages erzählte - mit einer Ausnahme. Readis erwähnte er mit keinem Wort.
»Bitte, Lady Lessa, holen Sie Aramina wieder hierher, ehe es zu spät ist.« Jayge streckte Lessa über den Tisch hinweg die Hand entgegen, zog sie jedoch wieder zurück, als ihm aufging, was er sich da herausnahm.
»Sobald ich von Ihrem Anliegen erfuhr, Jayge Lilcamp, habe ich Baron Raid verständigt. Man wird gut auf sie aufpassen, glauben Sie mir.« Dann erklärte sie ihm mit strahlendem Lächeln ihre Methode der Nachrichtenübermittlung. »Ramoth, meine Drachenkönigin, hat sich mit dem Wachdrachen von Benden in
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