Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
Verbindung gesetzt.«
»Aber hier wäre das Mädchen sicherer«, beharrte Jayge voll Unruhe. Jeder konnte in die Burg hineinmarschieren; jeder konnte sie aus einer Jagdgesellschaft herausholen.
Lessa runzelte ganz leicht die Stirn, dann beugte sie sich vor und legte ihre kleine Hand mit kräftigem Druck tröstend auf Jayges Arm. »Ich kann Ihre Sorge gut verstehen. Auch ich hätte es vorgezogen, Aramina bis zur nächsten Gegenüberstellung hier in Benden zu behalten, aber… das Mädchen hört tatsächlich, was die Drachen sagen.«
Sie verzog ratlos das Gesicht.
»Unablässig, jeden einzelnen Drachen.«
Sie stieß einen übertriebenen Seufzer aus, dann legte sie den Kopf schief und lächelte ihn an. Plötzlich verstand Jayge, warum so viele Leute sie respektierten, ja sogar verehrten, und er lächelte unwillkürlich ein wenig verlegen zurück.
»Das ständige Gerede hätte sie auf die Dauer zum Wahnsinn getrieben.«
»Aber Thella täte das erst recht«, hörte Jayge sich sagen.
»Tubridy vom äußeren Tor meldet, Sie hätten ein Bild von einem Mann, der angeblich Briefe von ihrer Familie brachte«, sagte Lessa.
Jayge zog sein Empfehlungsschreiben heraus und faltete es auseinander, als ob sich die Skizze darin befände. Dann kramte er scheinbar bestürzt in seiner Brusttasche herum und durchsuchte auch die anderen Taschen seiner Jacke. »Ich muß sie verloren haben.
Mein Renner war durch den Tunnel und die Nähe der Drachen ganz außer sich.«
Er zuckte beschämt die Achseln und lächelte gewinnend.
Zu seiner Überraschung breitete sie einen Bogen aus, der viel größer war als Perschars Blätter, aber alle Skizzen des Künstlers enthielt. Auch Readis war in einer neuen Pose abgebildet, aus der Erinnerung gezeichnet und nicht so gut getroffen wie beim ersten Mal. Die Ähnlichkeit zwischen Onkel und Neffe war viel weniger ausgeprägt - wenigstens hoffte Jayge, daß sie Lessa nicht auffallen würde. Ohne Zögern deutete er auf Dushik.
»Den würde ich überall erkennen«, sagte er, wohl wissend, daß er ein Risiko einging, aber wider alle Vernunft entschlossen, seinen Onkel zu retten. Wie, das wußte er nicht - aber er mußte es versuchen.
Lessa sah ihn merkwürdig an, und ihre Augen wurden schmal.
»Wie sind Sie überhaupt an eine Skizze gekommen?«
»Nun, ich habe Ihnen ja bereits erzählt, daß ich annahm, sie würden die Höhlen von Igen aufsuchen. Und wenn ich allein hinging, bestand immerhin die Möglichkeit, daß ich etwas erfuhr, was man weder einem Burgherrn, noch einem Drachenreiter« - er entschuldigte sich mit einem respektvollen Lächeln -»verraten würde. Deshalb gab man mir eine von Perschars Skizzen zum Vorzeigen. Ich habe mit Thella und ihren Freunden noch eine Rechnung zu begleichen«, erklärte er mit einem Haß und einer Entschlossenheit, die er nicht vorzutäuschen brauchte. Plötzlich grollte ganz in der Nähe ein Drache, und er fuhr zusammen.
»Solche Privatfehden neigen dazu, außer Kontrolle zu geraten, Jayge Lilcamp«, sagte Lessa mit einem eigenartigen Lächeln.
In diesem Moment fühlte Jayge sich abermals an Thella erinnert, doch er schüttelte den Gedanken ab und stand auf, denn die Weyrherrin hatte sich erhoben.
»Und sie verhindern oft, daß weit verdienstvollere Eigenschaften zum Tragen kommen«, fuhr Lessa fort.
»Überlassen Sie die Sache dem Weyr. Wir werden Aramina beschützen.« Ein Drache trompetete, und der Ton hallte mehrfach wider. Lessa lächelte zärtlich. »Sie haben Ramoths Wort darauf.«
»Kann sie alles hören?«
Lessa lachte, und es klang erstaunlich jung. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ihre Geheimnisse sind bei mir sicher.«
Jayge wandte sich ab. Sie hatte zu scharfe Augen und einen zu wachen Verstand. Daß Drachen fähig sein sollten, die Gedanken aller Leute zu hören war ihm neu - er hatte immer gedacht, sie könnten sich nur mit ihren Reitern verständigen.
»Machen Sie einen Abstecher in die Küche, ehe Sie aufbrechen, Jayge Lilcamp. Sie haben einen weiten Weg vor sich und brauchen etwas Kräftiges im Magen.«
Er bedankte sich und folgte dem Jungen aus dem Weyr, doch beim Anblick der goldenen Drachenkönigin auf dem Sims blieb er unvermittelt stehen. Sie war noch nicht dagewesen, als er hereingekommen war.
Der Schwanz war um die Vorderbeine gewickelt, und die Schwingen lagen flach am Rückenkamm an, aber sie blickte ihm fest in die Augen.
»Sie mag es, wenn man mit ihr spricht. >Guten Morgen, Ramoth< genügt«, riet der Junge, als er
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