Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
Pille betrachtet würde. Zum Glück gab es immer wieder Leute wie Jemmy, die Lernen als Privileg auffassten. Aber wissensdurstige Naturen, die von Bildung um ihrer selbst willen nie genug kriegen konnten, waren selten.
In gehobener Stimmung eilte Clisser die Treppen hoch. Er würde sich die Zeit nehmen und einen Plan austüfteln, wie man breiten Schichten das Lernen schmackhaft machen konnte! Und er freute sich auf diese Aufgabe.
KAPITEL 3
Spätherbst im Telgar-Weyr
Tulaya strahlte Paulin an. »Ja, sie hat sich wirklich übertroffen, nicht wahr?« Liebevoll betrachtete sie ihre goldene Königin, die in beschützender Haltung über ihre einundfünfzig Eier wachte, aus denen allen Anzeichen nach noch am selben Tag die Jungen schlüpfen würden.
Den ganzen Morgen über hatten Drachen Gäste und Kandidaten für die Gegenüberstellung herbei transportiert.
»Übertreiben die Weyr mit der Nachzucht nicht ein wenig?«, fragte Paulin. Der Benden-Weyr und der Ista-Weyr hatten im vergangenen Monat auch Prägungszeremonien durchgeführt. Zwei vielversprechende junge Männer aus seiner Burg hatte er dabei an die Drachenreiter verloren. Ein fühlbarer Verlust, denn nunmehr war es den Reitern nicht mehr möglich – wie früher, während eines Intervalls, in dem es keine Fädenschauer gab –, zwischen Weyr und Festung hin und her zu pendeln, um andere Berufe zu erlernen und auszuüben.
»Wenn die Drachen anfangen, vermehrt Eier zu legen, ist dies ein untrügliches Signal für eine Annäherung des Roten Sterns«, erklärte Zulaya. Paulin schien es, als freue sie sich auf die Zeit, wenn die Drachen von Pern der Herausforderung begegneten, für die sie eigens gezüchtet worden waren. »Haben Sie schon die Ballade gehört, die das Kollegium komponiert hat?«
»Hmm, hab ich«, erwiderte Paulin grinsend. »Sie ist ein richtiger Ohrwurm.«
»Clisser sagte, heute Abend bekämen wir noch mehr neue Kompositionen zu hören.«
»Aber soll die Musik alles sein?«, zweifelte Paulin. »Wir baten doch um eine Art Monument, etwas Unverwüstliches, das den Leuten ständig vor Augen führt, was es mit dem Roten Stern und den Fäden auf sich hat.«
Begütigend tätschelte Zulaya seine Hand. »Sie können ihn ja fragen, wie er mit dem Projekt vorankommt.«
K'vin, der sich zu ihnen gesellte, legte lässig seinen Arm um Zulayas Schulter, eine ähnlich vereinnahmende Geste, wie der goldene Drache sie bei seinem Gelege vollführte. Amüsiert hüstelte sich Paulin in die vorgehaltene Hand und entschuldigte sich hastig.
»Er macht sich Sorgen wegen des Mediums, das für die Überlieferung der alten Texte gewählt wird«, erzählte Zulaya. K'vins Anflug von Eifersucht belustigte sie, doch um nichts in der Welt hätte sie dazu einen Kommentar abgegeben.
»Das neue Kleid steht dir ausgezeichnet«, lobte K'vin, sie anerkennend musternd.
»Findest du? Danke, Kev«, erwiderte sie und wackelte verführerisch mit den Hüften, bis die Röcke wirbelten. »Dabei fällt mir ein …« Sie befingerte eine Falte des karmesinrot gemusterten Brokats, »dass Fredig vorschlug, Wandbehänge anfertigen und in jedem Weyr sowie jeder Burg aufhängen zu lassen. Die Motive sollen die Bahn des Roten Sterns wiedergeben, und die Umrandungen die astronomischen Formeln. Eine originelle Idee.«
»Farben verblassen und Stoffe verschleißen mit der Zeit.«
»Wir besitzen immer noch ein paar Gobelins, die früher einmal in Häusern in Landing hingen. Diese Szene mit der Erde und dem Mond …«
»Man sagte mir, sie seien aus synthetischen Garnen gewebt worden, die wesentlich haltbarer sind als unsere Materialien – Wolle, Leinen und Baumwolle. Und selbst die Sachen aus Kunstfasern fangen langsam an zu verschießen.«
»Ich lasse sie waschen …«
»Dann werden nur noch die Fäden übrig bleiben … ups!« K'vin schmunzelte über die unfreiwillige Komik.
»Es kann nicht schaden, hundert verschiedene Gedächtnisstützen zu haben, Kev.«
»In Stein gemeißelte Texte …«, sinnierte der Weyrführer in sachlichem Ton.
»Auch Steine können sich bewegen.«
»Aber nur kurz vor einem Vorbeizug des Roten Sterns. Die entscheidende Information muss von Dauer sein.«
»Ich finde, die Leute zerbrechen sich unnötigerweise den Kopf«, meinte Zulaya. Mit einer weit ausholenden Geste deutete sie auf die Brutstätte. »Aus welchem Grund sollte man wohl Drachen züchten, wenn nicht, um die Fäden zu bekämpfen? Wieso gibt es Weyr, abseits der Siedlungen, die Drachenreiter ausbilden?
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