Die Drachenschwestern
oder willst du noch mehr Löcher in die Luft starren?“
„Ja, ich komm ja schon.“ Gemeinsam gingen sie zu ihrem kleinen grauen
Peugeot hinüber und Kaja öffnete ihren zwei Begleitern die Tür. Zorro schien
sich nicht gerade zu freuen, seinen Platz auf der Rückbank schon wieder teilen
zu müssen. Verstimmt rollte er sich in der Ecke zusammen. Sie kramte den
Schlüssel unter der Sonnenblende hervor, Luc deponierte ihn immer dort, und
warf dem Drachen über den Rückspiegel einen Blick zu.
„Täusche ich mich
oder konnte Luc dich tatsächlich nicht sehen?“
„Nur Frauen können mich sehen und auch nur Frauen, denen es bestimmt
ist, einem Drachen zu begegnen. Wir geben uns nicht mit jedem ab, und schon gar
nicht mit Männern. Die sind zu begriffsstutzig. Vergebliche Liebesmüh, sich um
die zu kümmern.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
Kaja musste grinsen, das verstand sie nur allzu gut. Was sie hingegen
weniger gut verstand, war der Rest der Erklärung. „Du meinst also allen
Ernstes, es sei meine Bestimmung, dass ich dir begegnet bin? Herrje, ich muss
in meinem letzten Leben wohl eine echte Nervensäge gewesen sein“, stöhnte sie.
„Na hör mal! Weißt du nicht, dass das eine Ehre ist, die nur ganz
wenigen zuteil wird?“, entrüstete er sich.
„Ja, ja, reg dich ab. Mir ist auch aufgefallen, dass du in Mehrzahl
von den Drachen sprichst. Das heißt also, es gibt nicht nur dich?“
Er verdrehte die Augen. „Hast du mir vorhin überhaupt zugehört? Ich
müsste ja eine wahre Vielfalt an multiplen Persönlichkeiten besitzen, um all
die verschiedenen Drachen, die in der Geschichte vorkommen, zu spielen. Dann
wäre ich ja auch wie Jerry!“ Entsetzt über den Gedanken schüttelte er sich,
dass die Funken stoben.
„Schon gut, du hast mich ja überzeugt. Pass lieber auf, dass du mein
Auto nicht in Brand steckst“, beschwichtigte ihn Kaja lachend. „Es hätte sich
ja auch einfach um eine Geschichte handeln können, die dir als Beispiel dient.“
„Das ist auch so,
nur hat diese hier einen wahren Hintergrund.“
„Also, schieß los, ich möchte noch hören, wie die Geschichte
ausgegangen ist, bevor wir zu Hause sind“, forderte sie ihn auf.
So begann er von neuem, seine Geschichte in Kajas Kopf zu weben. „Wir
beschlossen also, ein Jahr verstreichen zu lassen, um dafür umso besser beim
nächsten Wettkampf vorbereitet zu sein. Endlich war das Jahr um und der nächste
Wettbewerb stand vor der Tür. Jerry besaß die Frechheit, sich jetzt schon bei
jeder passenden und unpassenden Gelegenheit also zukünftigen Sieger zu
bezeichnen. Obwohl wir anderen natürlich alle schäumten vor Wut, ließen wir uns
nichts anmerken und begannen mit unseren Vorbereitungen. Eine Woche vor dem großen
Tag brachen wir erneut in die Burg Drachenfels ein und vertauschten das echte
Lösungsblatt mit einem falschen. Wir hofften einfach, dass unser Timing
hinhaute, und Jerry sich die Lösungen nicht schon vorher geholt hatte. Ein Tag
vor dem Wettkampf wiederholten wir das Ganze und brachten die richtigen
Lösungen wieder an ihren Platz.“
„Natürlich ohne selbst einen Blick auf die richtigen Lösungen zu
werfen“, warf Kaja mit ironischem Unterton ein.
„Selbstverständlich“, antwortete Lance indigniert. Diese Kaja war
manchmal ein richtiges Fräulein Naseweis, dachte er. „Soll ich jetzt weiter
erzählen oder willst du mich wieder dauernd unterbrechen?“
Kaja schwieg
erwartungsvoll.
„Wir kämpften uns alle wieder durch die schwierigen Aufgaben und
schwitzten über den Rechenrätsel. Jerry war als erster fertig, was unseren
Verdacht bestätigte, dass er einfach die Resultate auswendig gelernt hatte.“
Inzwischen waren sie wieder auf dem Hof angelangt und Kaja schaltete
den Motor ab. Gespannt sah sie den Drachen an: „Und dann, was ist dann
passiert?“
„Tja, bei der Preisverteilung kam dann der große Knaller: Jerry wurde
Letzter, nicht Erster. Ungläubig hörte er der Rangverkündigung zu. Er wollte
schon den Richter unterbrechen, als er sich gerade noch rechtzeitig anders
besann. Wie gesagt, er war nicht der Hellste. Aber sogar ihm war klar, dass er
einiges zu erklären gehabt hätte, wenn er jetzt protestierte“, schloss Lance.
„Wie hat er das
wohl mit dem Reisebericht hingebogen?“, grübelte Kaja.
„Das haben wir nie
herausgefunden. Aber das spielte nun ja auch keine Rolle mehr.“
„Auf jeden Fall eine tolle Geschichte“, lobte ihn Kaja. Nach einer
kurzen Pause fragte sie:
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