Die drei ??? und der unheimliche Drache
zögerte nicht eine Sekunde. »Seid in einer Stunde in meinem Studio. Ich bin dann in Vorführraum vier.«
Er hatte aufgelegt. Langsam legte Justus den Hörer nieder und wandte sich an Peter und Bob.
»Merkt es euch«, sagte er. »Gleich bekommen wir einen richtig echt wirkenden Drachen zu Gesicht. Gebt ganz genau acht, wenn wir uns den Film ansehen. Vielleicht fällt euch dabei etwas auf, was später unsere Rettung sein könnte.«
»Was sollte das sein?« fragte Bob.
Justus stand auf und reckte sich. »Ich bleibe nach wie vor bei meiner Theorie, daß der Drache von Seaside Bluff ist. Vielleicht irre ich mich. In diesem Fall wäre unser Drache wirklich echt!«
Genau zur vereinbarten Zeit trafen die drei ??? in dem eleganten alten Rolls-Royce mit Morton auf dem Ateliergelände an dem Pa-villon mit der Aufschrift ›Vorführraum 4‹ ein. Alfred Hitchcock saß bereits mit seiner Sekretärin in einer der hinteren Reihen und nickte ihnen zu.
»Setzt euch da vorn hin, ihr Burschen«, dröhnte seine Stimme durch den Raum. »Ich gebe dem Vorführer gleich das Start-zeichen, und dann geht’s los.«
Er drückte auf einen Knopf neben seinem Sitz, und im Raum wurde es dunkel. Aus einer kleinen Öffnung in der Wandnische hinter seinem Platz drang flackerndes Licht und leises Surren.
»Bedenkt«, erklärte Mr. Hitchcock, »daß dieser Film schon vor sehr langer Zeit hergestellt wurde. Die Kopie, die wir hier zeigen, ist möglicherweise die einzige, die noch existiert. Sie ist überbelichtet, und an manchen Stellen ist sie wiederum zu dunkel und trübe. Das müssen wir in Kauf nehmen. So, das dürfte reichen. Film ab!«
Bald hatten die Jungen vergessen, wo sie waren. Alfred Hitchcock hatte nicht zuviel versprochen. Der Film war genau so spannend, wie er prophezeit hatte. Die Handlung nahm sie gefangen, und die Kunstfertigkeit des altberühmten Regisseurs, der den Film gedreht hatte, entführte sie immer weiter auf dem Pfad des Grauens.
Die Szene auf der Leinwand veränderte sich zu einer Höhle. Im nächsten Augenblick standen sie mittendrin. Und da sahen sie ihn wieder, mit wie zuvor heftig pochenden Herzen – den Drachen!
Er füllte das ganze Bild, als er in die Höhle eindrang: ein groteskes Wesen, riesenhaft und furchteinflößend. Seine kurzen Flügel hoben sich und gaben den Blick auf gewaltige Muskeln frei, die sich unter dem feuchten Schuppenpanzer wie Schlangen dehnten und zusammenzogen. Dann drehte sich auf dem langen, hin und her pendelnden Hals der kleine dunkle Kopf und blickte sie voll an.
Der Drache stieß ein Gebrüll aus und öffnete dabei die langen, starken Kiefer.
»Mensch!« flüsterte Peter. Unwillkürlich schreckte er auf seinem Sitz zurück. »Der ist tatsächlich echt!«
Bob starrte das immer näher ins Bild tretende Ungeheuer an, und seine Hände klammerten sich fest um die Armlehnen.
Justus saß ruhig da und verfolgte aufmerksam jede Bewegung des Kinodrachens.
Die Vermutungen der drei ??? über das Wesen des Drachen scheinen sich um eine zusätzliche Dimension erweitert zu haben: das Medium Film. Nun, jeglicher Kino-Horror läßt sich letzten Endes reduzieren auf das tonuntermalte Spiel von Hell und Dunkel auf einer Projek-tionsfläche. (Aber die Fahrspur? Das Beben der Felswand, gegen die der Drache anrannte? Der Geruch des Drachens, an den sich Bob so deutlich erinnerte?)
Gebannt sahen sich die Jungen den Film zu Ende an. Als plötzlich wieder strahlende Helle den Vorführraum durchflutete, saßen sie unter dem überwältigenden Eindruck noch immer angespannt und etwas zittrig da.
Mit weichen Knien gingen sie durch den Raum nach hinten.
»Menschenskind!« rief Bob, »ich bin fertig! Das war ja genau so schlimm wie gestern abend. Ich hatte ganz vergessen, daß wir im Kino sind!«
Justus nickte. »Das beweist, wie ein Meister des Horrors seine Effekte gezielt einzusetzen weiß. Mr. Allen bewies seine Fähigkeit, um alles, was er sich vorstellte, als gegeben hinnehmen und glauben zu lassen. Er hat uns mit einem nachgemachten Drachen auf einem Filmstreifen fast zu Tode erschreckt. Es war seine Absicht, und wir ließen uns beeindrucken – das dürfen wir nie vergessen.«
»Na also«, meinte Alfred Hitchcock. »Begreift ihr jetzt, warum mein Freund Allen einst als Großmeister des Horrorfilms angesehen wurde?«
Justus nickte. Er hätte dem Regisseur, der auf diesem Gebiet ja auch Experte war, gern eine Menge Fragen gestellt, aber er sah, daß Mr. Hitchcock in Eile war und seine
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