Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
an den Rand
seines Bettes. Die Sonne schien über den Park in das Zimmer und
kitzelte seine Nase. Nach kurzem Zögern beschloss er, dass es
wohl das Beste war, zum Frühstücken zu gehen, bevor er
wieder eine Ladung von Kosenamen von seiner Mutter zu hören
bekam. Er ging zum Schrank und zog sich seine Boxershorts und seinen
Overall an.
R oxy
Perera wurde mit »Pronto, Pronto« angefeuert, als sie
zwei große Salami-Pizzen durch die Küchentür in den
Speiseraum trug. Sie hasste ihren Chef und ließ die erste Pizza
auf den Tisch vor einen glatzköpfigen Mann fallen, während
sie »Guten Appetit« murmelte.
»Die
Rechnung bitte«, rief eine rot gelockte Frau Ende fünfzig
vom Tisch nahe der Eingangstür. Es war gerade Nachmittag und in
dem kleinen italienischen Restaurant in der Altstadt wieder einmal
die Hölle los. Roxy beeilte sich, ihre zweite Salami Pizza
abzuwerfen. Bevor sie sich umdrehte, stand ihr Chef vor ihr. »Die
Dame ruft bereits zum dritten Mal«, herrschte er sie in seinem
italienischen Akzent an. »Kassier sie endlich ab!«
Sie
hasste Italiener. Roxy drückte ihrem Chef die zweite Pizza in
die Hände und holte, ohne zu antworten, ihren Geldbeutel heraus.
Mit einem maskulinen Schritt ging sie auf die dicke Frau in der Ecke
des Restaurants zu. »Sie hatten einen Weißwein –
nein, eine ganze Flasche und eine mittlere Portion Spaghetti –
nein, zwei. Das macht dann …« Roxy rechnete den Betrag
aus, während sich die rot gelockte Dame darüber beschwerte,
wie lange sie brauchte. »… siebzehn Euro und dreißig
Cent bitte.«
»Ich
möchte aber richtig rausbekommen«, nuschelte die Frau,
während sie ihr einen Geldschein übergab. Als sie das
Wechselgeld herauszählte, piepste ihre Armbanduhr. Sie hatte
endlich Feierabend.
»Auf
Wiedersehen! «, sagte sie mehr zu
ihrem Chef als zu der Dame.
»Hey,
wo willst du hin? Es ist zu viel los. Du kannst noch nicht gehen«,
rief ihr Chef, als sie ihre Schürze auf dem Weg zur Küche
auszog. »Im Einsatzplan steht vierzehn Uhr und … lass
mal sehen … ach ja, es ist bereits vierzehn Uhr.« Sie
drückte ihm die Geldbörse in die Hand, warf ihre Schürze
auf einen kleinen Holzhocker in der Ecke und zog sich ihren löchrigen
Rucksack über die Schultern. Bevor er noch etwas erwidern
konnte, lief sie hinaus.
Die
Mittagssonne stand hoch oben am Himmel und brannte ihr ins Gesicht.
Darüber machte sie sich keine Sorgen. Sie hatte es ihrem dunklen
Teint zu verdanken, dass sie noch nie einen Sonnenbrand gehabt hat.
Am Ende der Straße, an dessen Kreuzung sie normalerweise ihr
Fahrrad absperrte, fiel ihr ein, dass es vor zwei Tagen geklaut
worden war. Genervt blickte sie die ihr entgegenkommenden, in feinen
Anzügen gekleideten Geschäftsleute an, während diese
mit ihren Handys telefonierten, eilig die Straße überquerten
oder auf ihren Mini-Laptops scheinbar wichtige E-Mails versendeten.
Noch während sie überlegte, was sie mit dem Tag anfangen
sollte, klingelte ihr Handy. Auf dem Display erschienen nur
undeutliche Zeichen. Seit sie ihr Mobiltelefon aus Wut gegen eine
Wand gepfeffert hatte, funktionierte ihre Rufnummernanzeige nicht
mehr richtig. »Hallo?«
»Ich
habe dir gesagt, wenn du noch einmal gehst, obwohl du noch so viel zu
tun hast, kündige ich dir! Ich habe dich nur eingestellt, um
Fabrizio einen Gefallen zu tun, und so dankst du mir! Du brauchst
nicht mehr …«
Sie
legte auf. Nervös ließ sie ihr Handy zurück in die
Hosentasche gleiten. Was wird Fabrizio, ihr Bewährungshelfer,
dazu sagen? Das war das vierte Mal in Folge, dass ihr gekündigt
worden war. Was soll`s! Sie machte sich auf den Weg zu ihrem
Fitnessstudio. Ungeachtet des schönen Wetters bahnte sie sich
trotzig den Weg durch ein Knäuel Jugendlicher, die vermutlich
auf dem Weg zum See waren.
»O
Mann, ich freue mich riesig auf den Tierpark. Hast du schon gehört,
dass sie die neue Lagune fertiggestellt haben? Die will ich unbedingt
sehen«, hörte sie ein aufgetakeltes Mädchen zu einer
noch aufgetakelteren Freundin sagen.
Roxy
hatte nichts übrig für Freizeitgestaltungen, wie Schwimmen
gehen oder im Park die Seele baumeln lassen, geschweige denn, in den
Tierpark gehen. Sie verbrachte eigentlich den ganzen Tag im
Fitnessstudio und trainierte ihre Kampfkünste.
*
Der
Tag zog langsam an ihr vorüber, während sie ihre ganze Wut
ausschwitzte. Nachdem es draußen stockfinster war, kam der
letzte Betreuer des Centers zu ihr. »Hey Roxy, du warst den
ganzen Tag hier drinnen. Wieso
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