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Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)

Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)

Titel: Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Scherzinger
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hast du nicht die Sonne genossen, wie
alle anderen?«
    »Ach
Mehmet, die Sonne scheint noch öfter.«
    »Wie
ich dich kenne, wirst du auch dann den ganzen Tag hier drinnen auf
den Boxsack einschlagen.«
    Sie
kannten sich seit fünf Jahren, seit sie in Nürnberg wohnte.
    »Nein,
morgen bist du dran. Du schuldest mir noch eine Revanche«,
feixte sie.
    »Schon
gut. Aber jetzt wird es echt Zeit. Wir wollen schließen. Morgen
zeig ich dir ein weiteres Mal, wie man verliert.«
    Roxy
lächelte Mehmet herausfordernd an. Sie hatte das letzte Mal
tatsächlich gegen ihn verloren aber das würde nicht wieder passieren.
    Als
sie sich umgezogen hatte und vor die Tür trat, schauderte sie
vor Kälte. Die Temperatur war ziemlich gesunken. Vermutlich gab
es bald ein Gewitter. Roxy beeilte sich, an die Kreuzung mit den
Taxis zu kommen. Normalerweise wäre sie zu Fuß nach Hause
gegangen. Doch auf den Sturm, der sich ankündigte, hatte sie nur
wenig Lust. Am Taxistand wunderte sie sich über das mangelnde
Angebot. Üblicherweise warteten hier mindestens zehn Fahrzeuge
auf Fahrgäste. Doch jetzt stand da nur eine
alte Kiste mit
einem leuchtenden Schild auf dem Dach. Sie rannte über die
Straße, öffnete schnell die hintere Wagentür und
setzte sich auf die Rückbank.
    Der
Fahrer begrüßte sie nicht einmal oder drehte sich zu ihr,
als sie ihm ihre Adresse sagte.
    Ihre
Wohnung hatte zwei Zimmer. Es roch nach getragener Unterwäsche.
Roxy hatte nichts gegen diesen Geruch, sie war anders als die anderen
Frauen in ihrem Alter. Einige mochten sie als Kampflesbe bezeichnen,
andere als hyperaktiven Raufbold, so wie es ihr Psychiater damals im
Heim getan hatte, wo sie aufgewachsen war, da ihre Eltern sie, als sie
drei Jahre alt war, im Hafen von Hamburg ausgesetzt hatten. Sie
hatten weder Namen noch sonstige Informationen hinterlassen. Die
Sozialarbeiter nannten sie einfach Roxy. Sie hatte ihren Psychiater
damals nur böse angeschwiegen, sie mochte nicht gerne über
sich sprechen, sie wusste ja selbst nicht viel über sich und
ihre Vergangenheit. Manchmal hatte sie das Gefühl, überhaupt
nicht auf diese Welt zu gehören.
    Der
Fahrer hatte schweigend den Motor gestartet und war losgefahren.
    Sie
brauchte kein Handy, geschweige denn Serienabende mit kreischenden
und hysterischen Freundinnen. Stattdessen fand sie es unterhaltsam,
den ganzen Tag im Fitnessstudio zu verbringen. Ihre Lieblingssportart
war Capoeira,
eine Kampfsportart aus Brasilien, die ihr langweiliges Leben
erfüllte. Sie hatte, seit sie sieben war, jeden Monat ihr Haar
bis auf wenige Zentimeter geschnitten. Seit sie arbeitete, musste sie
es etwas länger wachsen lassen, da sie laut ihrem
Bewährungshelfer kaum eine Chance hätte, mit so kurzen
Haaren einen Arbeitsplatz zu finden. Sie hasste ihre Arbeitskleidung.
Sie musste eine weiße Bluse mit einem Rock bis über die
Knie tragen, beides mit roten und grünen Streifen verziert. Als
der Chef ihr gesagt hatte, sie
müsse bei der Arbeit einen Rock tragen, wäre sie am
liebsten wieder gegangen. Doch sie war mit der Miete bereits zwei
Monate im Rückstand gewesen.
    »Nettes
Outfit«, sagte der Taxifahrer und Roxy atmete ungeduldig aus.
Sie mochte keine sinnlosen Gespräche.
    »Geht
es nach Hause oder zu deinem Freund?«
    »Nach
Hause.« Sie fragte sich, wie alt der Mann war. Seine Stimme
hörte sich brüchig an.
    »Die
Ellenstraße befindet sich noch in Fürth, Sie verlassen
gerade die Stadt!«
    »Tatsächlich?
Dann sollte ich vielleicht umdrehen.«
    »Doch
nicht auf dem Frankenschnellweg«, rief sie, als er Anstalten
machte, zu wenden.
    »Eben,
also überlass mir das Fahren«, sagte er gelassen und fuhr
weiter. Ihr Blick fiel auf den Taxameter, dessen angezeigte Zahl
immer höher kletterte. »Wenn Sie glauben, ich bezahl das,
sind Sie verrückt! Sie fahren einen riesigen Umweg.
    Sagen
sie mal, wie alt sind Sie eigentlich?«, wollte sie wissen, als
der Fahrer nicht antwortete. Sie hatte im
Grunde Respekt
vor Älteren, doch sie wollte nicht totgefahren werden.
    Der
Alte schwieg, und
Roxy achtete wieder auf die Umgebung. »Sie
hätten bereits dreimal wenden können«, sagte sie, als
sie von der Schnellstraße längst runtergefahren waren.
    »Du
solltest deinem Chef mal sagen, dass diese Arbeitsuniform lächerlich
aussieht.«
    Sie
war eine Frau, die nicht schnell ängstlich wurde, aber nun
tauchten nur noch Bäume und Wiesen aus
den nächtlichen Schatten. Ein flaues Gefühl machte sich in
ihr breit. Doch sie musste keine Angst haben.

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