Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
unterdrückte den Wunsch, sie zu schlagen, sie vor sich auf die Knie zu zwingen.
»Dein Bruder wünscht lediglich über dein Wohlergehen Bescheid zu wissen«, sagte Tsudai. »Ist das so schwer zu verstehen?«
Sie lachte hämisch. »Mein Wohlergehen? Wie reizend von ihm! Ich sah, wie dein Diener die neuen Sklaven abschätzte. Der große Krieger, Tsudai, dazu degradiert, neue Konkubinen zu finden. Hast du etwas gefunden, das dir gefällt, Tsudai?«
»Ich fand keine von ihnen attraktiv, obwohl ein oder zwei darunter sind, die in Frage kämen. Aber du tust mir Unrecht, Tanaki. Ich kam her, um mit dir zu reden. Du weißt, wie gefahrvoll deine Lage ist. Du weißt, daß dein Tod jederzeit zweckdienlich werden könnte. Vor vier Jahren hattest du die Gelegenheit, meine Frau zu werden. Jetzt biete ich dir dieses Geschenk noch einmal. Sag ja, und du bist in Sicherheit.«
Sie trat näher zu ihm, und ihr Duft hüllte ihn ein. Sie hob die Hände, legte sie auf seine Schultern und blickte ihm tief in die dunklen, schrägstehenden Augen.
»Sicher? Bei dir? Ich kann mich erinnern, als du um meine Hand anhieltest. Ich habe es mit geziemendem Ernst überdacht. Ich habe Spione in deinen Palast geschickt, Tsudai. Nicht eine deiner Frauen ist ohne Peitschennarben. Ich weiß, was du willst«, flüsterte sie heiser, »und du wirst es nie bekommen!« Dann lachte sie wieder und trat einen Schritt zurück. Er hob die Hand, holte aus. Sie duckte sich aus seiner Reichweite, und dann war sie ihm ganz nahe. Tsudai erstarrte, als die Dolchspitze seinen Hals berührte. »Ich könnte dich jetzt töten«, sagte sie.
Jetzt war es an ihm zu lachen, als er ihre Hand beiseitefegte. »Du willst trotz allem noch leben, nicht wahr? Und ein Angriff auf mich wäre dein Untergang. Ich habe dir meine Hand geboten, Tanaki. Aber jetzt werde ich warten. Und wenn für dich der Tag des Leidens kommt, wird es Tsudai sein, der zu dir reitet. Es wird Tsudai sein, den du anflehst. Doch ich sage dir schon jetzt, daß dein Flehen unerhört bleibt. Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, wirst du nicht so hochmütig sein.«
Der Krieger machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Zimmer. Tanaki steckte den kleinen Dolch wieder in die Scheide und schenkte sich einen Becher Wein ein.
Es war dumm gewesen, Tsudai zu verärgern. Er war ein vertrauter Ratgeber von Jungir Khan, und es wäre klug gewesen, sich seiner Freundschaft zu versichern. Aber der Mann hatte etwas an sich – eine Seelenkälte, eine Niederträchtigkeit – , das sie nicht ertragen konnte.
Ihr Vater, Tenaka, hatte ihm nicht getraut. »Ich habe nichts gegen einen Mann, der in seinem Haushalt auf Disziplin achtet«, hatte Tenaka seiner Tochter gesagt. »Aber ein Mann, der eine Peitsche braucht, um mit einer Frau fertigzuwerden, hat in meinen Diensten nichts zu suchen.«
Tanaki mußte schlucken, als sie an ihren Vater dachte, an seine violetten Augen, die voller Wärme waren, an sein Lächeln, das wie die Morgendämmerung war – einladend, beruhigend. Ein Knoten lag in ihrem Magen, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Wie konnte er nur tot sein? Wie konnte der größte Mann der Welt tot sein?
Sie blinzelte ihre Tränen fort, ging zum Fenster und beobachtete die Versteigerung, während sie überlegte, welche der Frauen Tsudai kaufen würde. Sie hatte selten Mitleid mit den Sklaven. Aber heute …
Sie sah, wie eine dunkelhaarige, junge Frau auf den Tisch gezerrt wurde; dann riß man ihr das gelbe Kleid herunter. Sie hatte eine schöne Figur, und ihre Brüste waren nicht zu groß. Tanakis Blick schweifte zu Tsudais Bieter hinüber, und sie sah, wie er die Hand hob.
Es gab noch einige andere Bieter, doch die Frau wurde an den Nadirgeneral verkauft.
»Sei auf der Hut, Mädchen«, wisperte Tanaki. »Dein Leben hängt davon ab.«
Maggrigs Schwäche, durch das Fieber hervorgerufen, dauerte noch fünf Tage an. Chareos fuhr fort, Kiall die grundlegenden Kenntnisse des Schwertfechtens beizubringen. Beltzer, der schlecht gelaunt war, streifte allein in den Bergwäldern umher. Finn verbrachte viel Zeit in seiner Werkstatt und fertigte einen neuen Langbogen.
Der Schnee vor der Hütte war fast verschwunden, und die Sonne schien mit sommerlicher Wärme über die Berge.
Am Morgen des sechsten Tages, als die Reisenden sich auf den Aufbruch zum Tal des Schreienden Tores vorbereiteten, rief Finn Beltzer in die Werkstatt. Die anderen standen um ihn herum, als der Jäger eine messingbeschlagene
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