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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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ein Fachmann für Gerüstbau vorbeigekommen war und ihn sich näher angesehen hatte, fünf Monate nach dem Tod ihres Vaters. In den Dachsparren hatte er sieben Löcher von Eichenböcken festgestellt. Sieben. Unvorstellbare, gewaltige Löcher, so groß wie ein kleiner Finger. Wenn man die Ohren spitzt, kann man hören, wie sie sich durchs Material graben, hatte der Fachmann lachend gesagt.
    Das muß behandelt werden, hatte der Mann verfügt. Doch sobald sie gesehen hatte, wie groß die Bohrlöcher des Eichenbocks waren, hatte Francine ihren Entschluß gefaßt. Sie würde gehen. Manchmal fragte sie sich voller Ekel, wie ein solcher Bockkäfer wohl aussehen mochte. Wie ein dicker Wurm? Eine Art Skarabäus mit einer Bohrmaschine?
     
    Um ein Uhr morgens besah Francine sich die Löcher der Klopfkäfer, kontrollierte dank fester Markierungen, ob sie sich auf dem Balken auch nicht zu sehr verbreitet hatten, und schaltete ihre Lampe aus, in der Hoffnung, das Schnaufen des Igels draußen nicht mitzubekommen. Sie mochte dieses Geräusch nicht, es klang wie ein Mensch, der in der Nacht keuchte. Sie legte sich auf den Bauch und zog sich die Bettdecke über den Kopf, wobei sie nur einen winzigen Luftspalt für ihre Nasenlöcher frei ließ. Mit deinen fünfunddreißig Jahren benimmst du dich wie ein Kind, Francine, hatte der Pfarrer gesagt. Ja und? In zwei Monaten würde sie weder dieses Haus noch den Pfarrer aus Otton mehr sehen. Sie würde nicht noch einen Sommer hier verbringen. Im Sommer war es noch schlimmer, all die vielen großen Nachtfalter, die hereingeflogen kamen – von wo bloß, Herrgott? – und mit ihren widerwärtigen Körpern an den Lampenschirm stießen, all die Hornissen, die Fliegen, die Bremsen, der Nachwuchs der Nager, die Larven der Erntemilben. Es hieß, die Larven der Erntemilben gruben kleine Öffnungen in die Haut und legten ihre Eier darin ab. Um einzuschlafen, rechnete Francine sich wieder die Tage vor, die sie bis zu ihrer Abreise am 1. Juni noch hinter sich bringen mußte. Immer wieder hatte man zu ihr gesagt, sie mache ein schlechtes Geschäft, wenn sie ihren großen Hof aus dem achtzehnten Jahrhundert gegen eine Zweiraumwohnung mit Balkon in Évreux eintauschte. Doch für Francine war es das beste Geschäft ihres Lebens. In zwei Monaten wäre sie in Sicherheit und säße mit ihren achthundertundzwölf Filmen in einer sauberen, geweißten Wohnung, sechzig Meter von der Apotheke entfernt. Sie würde mit ihrem Rum-Kaffee auf einem neuen blauen Kissen sitzen, das auf einem neuen Linoleumfußboden vor ihrem Fernseher läge, ohne daß der kleinste Klopfwurm ihr Angst einjagen würde. Nur noch zwei Monate. Sie hätte ein Hochbett, das nicht direkt an der Wand stünde, mit einer lackierten Leiter daran. Sie hätte pastellfarbene Bettwäsche, die sauber bliebe, ohne daß Fliegen ihren Dreck darauf machten. Ob Kind oder nicht, sie würde sich endlich wohl fühlen. Francine zog sich unter ihrer warmen Hülle aus Bettzeug zusammen und steckte sich den Zeigefinger ins Ohr. Sie wollte den Igel nicht hören.

39
    Kaum hatte er die Tür seines Hauses hinter sich zugemacht, verschwand Adamsberg unter der Dusche. Heftig schrubbend, wusch er sich die Haare, dann lehnte er sich an die gekachelte Wand und ließ mit geschlossenen Augen und hängenden Armen das warme Wasser an sich herunterlaufen. Wenn du dermaßen lange im Fluß bleibst, hatte seine Mutter immer gesagt, wirst du ausbleichen, ganz weiß wirst du werden.
    Arianes Bild ging ihm belebend durch den Sinn. Gute Idee, sagte er sich und drehte die Wasserhähne zu. Er könnte sie zum Abendessen einladen, dann würde man schon sehen, ob oder ob nicht. Flüchtig trocknete er sich ab, zog seine Kleidung über die noch feuchte Haut und ging an der Abhörkonsole vorbei, die am Ende seines Bettes stand. Morgen würde er Froissy bitten, diese Höllenmaschine abzuschalten und mit all dem Kabelzeug auch gleich den verfluchten Dreckskerl von Béarner samt seinem schiefen Lächeln mitzunehmen. Er schnappte sich den Stapel mit den Aufzeichnungen und zerbrach eine CD nach der anderen, was glänzende Lichtblitze durchs Zimmer warf. Anschließend sammelte er das Ganze in einen Beutel, den er fest verschloß. Dann schlang er Sardinen, Tomaten und Käse hinunter und beschloß, nun, da er satt und gereinigt war, als Beweis seines guten Willens Camille anzurufen und sich nach Toms Schnupfen zu erkundigen.
    Besetztzeichen. Er ließ sich auf die Bettkante fallen, aß den Rest Brot

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