Die dritte Weissagung
der prophezeiten Zeichen!
Lucia schrie qualvoll auf. Zumindest von ihrer Zunge war die Lähmung gewichen. Und auch von ihrer Erinnerung!
Ja, sie erinnerte sich wieder! Sie erinnerte sich, daß es insgesamt sieben Zeichen geben würde, nach deren Eintreffen eine schreckliche Züchtigung über die Welt und die Menschen kommen würde. Die dritte Weissagung von Fatima, von Lucia selbst dereinst niedergeschrieben, warnte vor diesem Moment.
Schockiert versuchte sich Lucia der anderen sechs Zeichen zu erinnern. Aber es gelang ihr nicht.
Und die Marienerscheinung sagte: »Der Satan zerstört Jerusalem. Er läßt die Maske fallen. Die Menschen fliehen blind vor seinen Knechten. Und nach dem Untergang der Stadt werden die Apostel der Letzten Tage die nächsten Zeichen säen! Die Menschheit ist verloren! Ihr steht Schlimmeres als der Tod bevor: Ein Leben im Schatten! Ein Leben in Angst, ewiger Furcht!
Sie haben dir nicht zugehört, sie haben dir nicht geglaubt, Lucia, mein Kleines, und nun ist es zu spät. Nun kann ich dich nicht von der Schuld freisprechen, daß du versagt hast. Büße deshalb dein Versagen.
Werde mein Zeichen. Meine letzte Warnung, die zu lesen jene imstande sind, die das dritte Geheimnis kennen. So gering die Hoffnung auch sein mag, daß einer von ihnen das Unheil noch abwendet, sie besteht. Sie besteht, bis die Glocke des Untergangs zum sieb -ten Mal geschlagen hat. Dann aber ... Dann aber wird Finsternis einkehren in die Herzen und in die Seelen derer, für die mein Sohn gestorben ist .«
Die leuchtende Erscheinung über Lucia verblaßte. Es sah aus, als würde sie zu einem winzigen Punkt zusammenschrumpfen, um schließlich lautlos wie ein sterbender Funke zu verlöschen.
Lucia war ganz schwindelig geworden von den Ausblicken, die ihr die Muttergottes viele Jahrzehnte nach der letzten Begegnung er-neut gewährt hatte.
Nach und nach kehrte die Gewalt über ihren Körper zurück, so daß sie es bereits überstanden zu habe meinte.
Doch dann setzte das ein, was die Marienerscheinung angekündigt hatte.
Büße dein Versagen!
Lucia schrie gellend auf.
Sie war nie mit einem Mann zusammen gewesen, und folglich konnte sie auch nicht wissen, wie sich der Schmerz anfühlte, den jede Frau durchlitt, bevor sie den Lohn ihrer größten Qualen in Händen halten durfte.
Noch lauter schrie die alte Frau.
In den Pausen zwischen den Schmerzen sank sie erschöpft in sich zusammen. Sie wußte nicht, was geschah, aber sie konnte es . fühlen, wie es wuchs.
In ihr .
Heilige Jungfrau Maria, was hast du mir angetan?
*
». und die Gesegnete Stadt wird aus der Hand des Versuchers
selbst den Untergang erfahren. Zur hellen Tagesstunde wird sich
Nacht herniedersenken und alles Leben tilgen. Dies aber wird das
erste Zeichen sein .«
Aus der dritten Weissagung
Die Äbtissin des Karmeliterklosters zu Coimbra sah und hörte nicht länger, was um sie herum vorging. Für einen zeitlosen Moment lief das Leben wie ein Film vor ihr ab. Den Blick auf die Mattscheibe des Fernsehgeräts geheftet, das im Aufenthaltsraum aufgestellt war, versank sie in einer Flut von Bildern und Worten.
Ein Nachrichtensprecher, hinter dem ein nebulöses, wolkenartiges Gebilde eingeblendet war - offenbar war es mittels hochmoderner Infrarottechnik aus dem Dunkel der Nacht herausgeschält worden -erklärte gerade: »... erreichten uns erste Bilder via Satellit, die uns ein CNN-Team übermittelte. Der Blick der Kamera ist auf die Berge von Jerusalem gerichtet. Alt- und Neustadt sind hinter einer Art . Wolke verschwunden. Bis zur Stunde wissen wir nicht, ob es sich um Staub oder Asche oder sogar um beides handelt. Jeder Kontakt nach Jerusalem ist abgebrochen. Etwas Furchtbares muß dort geschehen sein! Inzwischen geht das Gerücht, die israelische Regierung habe ein Kampfgeschwader ins Luftterritorium der Stadt entsandt, das in die Wolke eindrang und dann spurlos verschwand .. .« 1
»Mutter Oberin . sagt, ist das ein . ein Schwindel?«
Die Äbtissin interessierte sich nicht dafür, wer die Frage an sie richtete. Ohne den Blick von der Nachrichtenübertragung abzuwenden, fragte sie, verblüfft über die Beherrschtheit ihrer Stimme: »Was meinst du mit Schwindel?«
Daß ihnen eine Lüge aufgetischt wurde, hatte sie nicht einen Moment in Betracht gezogen.
»Ich meine, ist das vielleicht nur eine Fiktion?« erwiderte die Ordensschwester - Mary, wie die Äbtissin nun erkannte - in schwankendem Tonfall. »Es kann doch nicht wirklich
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