Die Druidengöttin
westliche Ende des Kreises und hob den Karneol auf. »Hier raus«, erklärte sie ihm.
Richard folgte ihr aus dem Kreis und führte sie zum Bett. Er schenkte den Wein ein, während Keely sich setzte. Richard blieb stehen, und sie teilten den Wein und den Käse.
Gedämpftes Gelächter drang vom ersten Stock herauf. »Was machen sie da unten?« flüsterte Keely.
»Sie trinken und spielen«, erklärte Richard und küßte sie auf den Nacken. »Erzähl mir, was es Neues in Devereux House gibt, Schatz.«
»Odo und Hew haben deinen Cousinen die Unschuld geraubt«, berichtete ihm Keely. »Natürlich werden wir sie verheiraten, sobald du zu Hause bist. Und mein kleiner Bruder scheint entschlossen zu sein, alle anderen zu entjungfern. Wenn die Königin dich hier noch länger gefangenhält, wird es in deinem Haushalt bald kein unschuldiges Mädchen mehr geben.«
»Henry ist ein Mann nach meinem Herzen«, neckte Richard sie. »Ach, wie herrlich waren meine wilden Zeiten – die nun für immer vorbei sind und nie wiederkehren werden.«
Keely wirkte keineswegs belustigt, und Richard küßte sie, um seinen Spaß wiedergutzumachen. Dann streichelte er ihren Bauch. »Ich hoffe, daß ich zu Hause bin, wenn das Baby kommt.«
»Elisabeth wird dich in weniger als einem Monat freilassen«, antwortete Keely.
»Wie bitte?«
»Die Göttin ließ mich teilhaben an ihrem Wissen«, erklärte sie. »Sie enthüllte mir, daß wir wieder Zusammensein werden, wenn das Beltanefeuer brennt. Und das ist der erste Tag im Mai.«
Richard blieb skeptisch, doch um ihr eine Freude zu machen, küßte er ihr höflich die Hand. »Jetzt, da ich das weiß, geht es mir gleich besser. Komm, Schatz, ich möchte dir etwas zeigen.«
Er stand auf, reichte ihr die Hand und führte sie zum Kamin an der Wand gegenüber. »Sieh mal, was ich gemacht habe.« Er deutete auf die Worte, die in die Steinmauer gemeißelt waren. »Ich habe uns verewigt.«
Keely trat näher heran und erblickte die Worte: Richard und Keely. Sie sah hoch zu ihm und lächelte. Für alle Ewigkeit waren ihre Namen nun miteinander verbunden, selbst wenn sie nicht mehr am Leben waren.
»Und wir befinden uns in bester Gesellschaft«, fügte er hinzu. »Schau hierher.«
Keely las die Worte Jane und Guilford. »Wer ist das?« fragte sie.
»Jane Grey, Englands Königin für zehn Tage«, antwortete Richard. »Guilford Dudley, der Bruder des jetzigen Grafen von Leicester. Er hatte sie geheiratet. Zusammen regierten sie zehn Tage lang England, dann machten Mary Tudor und ihr Heer ihrer Herrschaft ein Ende. Diese Zelle war Guilfords Zuhause, während er auf das Beil des Henkers wartete.«
»Was geschah mit Jane?«
»Sie wurde nach ihm aufs Schafott geführt.«
Keely stiegen die Tränen in die Augen. Richard zog sie in seine Arme und streichelte ihr den Nacken.
»Es war dumm von mir, dich mit einer so traurigen Geschichte zu quälen«, entschuldigte er sich. »Ich schwöre dir, ich bin nicht in Gefahr.«
Es pochte an die Tür. »Es tut mir leid, mein Kind«, rief der Herzog von Ludlow. »Du mußt dich zur Abreise bereitmachen.«
»Nur noch fünf Minuten«, antwortete Richard.
Keely verbarg das Gesicht an der Brust ihres Mannes und weinte leise.
Er küßte sie auf die Stirn. »Soll ich dir beim Anziehen helfen?«
Keely schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie wollte nicht, daß er sie traurig in Erinnerung behielt, daher nahm sie alle Kraft zusammen und lächelte. »Wenn du mich anziehst, brauchen wir fünf Jahre.«
Richard schmunzelte erleichtert, daß es ihr besser ging. Es war allgemein bekannt, daß zu große Traurigkeit dem Kind im Mutterleib schadete.
Als sie den ersten Stock erreichten, warf Richard dem Wachmann einen Blick zu und bat ihn: »Kann ich meine Frau nach unten begleiten?«
Kingston sah die Tränen in den Augen der Lady und hatte Mitleid mit den Liebenden. »Ich komme mit Euch.«
Unten im Hof umarmte Richard Keely ein letztes Mal und küßte sie voller Leidenschaft. Anschließend wischte er ihr zärtlich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte ihr Mut zuzusprechen. »Denk daran, Schatz. Bei deinem Beltanefeuer sehen wir uns wieder. Es sind nur ein paar Wochen bis dahin.«
Es dämmerte bereits, doch Richard blieb stehen und blickte seiner Frau und ihrem Vater nach, wie sie über die Towerwiese gingen und im Offiziersquartier verschwanden.
Er wollte sich gerade umdrehen, als er eine Bewegung vor den Fenstern des Offiziersquartiers wahrnahm.
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