Die Druidengöttin
Es war eine Frau, die dort auf und ab ging. Plötzlich drehte sie sich zu ihm um und starrte ihn an.
Ein kalter Schauder lief ihm den Rücken hinab, doch er konnte die Augen nicht von ihr wenden. Er erkannte die Frau, an deren Porträt er Hunderte von Malen in der Langen Galerie im Richmond-Palast vorbeigegangen war – Anne Boleyn, die seit langem verschiedene Mutter der Königin.
Und dann vernahm Richard ihre warnenden Worte. Er hörte sie so deutlich, als stünde sie neben ihm: »Hüte dich vor dem dunklen Schmied .«
Achtzehntes Kapitel
»Geldgieriges Tudormiststück!«
Morgana Talbot hörte den Baron in seinem Zimmer fluchen und blieb verwirrt vor der Tür stehen. Es war seine Stimme, daran bestand kein Zweifel. Doch es war so gar nicht seine Art, lauthals seinem Ärger Luft zu machen. Zumindest hatte sie nie gehört, daß Willis sich dieser Ausdrucksweise bediente.
War es ein Fehler gewesen, hierher zu kommen? fragte Morgana sich. Sie hatte vorgehabt, dem gutaussehenden Baron die Hölle heiß zu machen, da er zum vereinbarten Zeitpunkt nicht aufgetaucht war. Schließlich war es Willis gewesen, der sie zu einem romantischen Stelldichein flußaufwärts eingeladen hatte, um die Aprilsonne zu genießen. Aber nun ...
Willis schien schlecht gelaunt zu sein. Andererseits war sie die Tochter des Herzogs von Ludlow, während er nur ein verarmter Baron war. Der Anstand hätte es verlangt, sich bei ihr zu entschuldigen und sie nicht wie eine Närrin am Kai warten zu lassen. Ihr Ärger war neu aufgeflammt, und Morgana pochte mit aller Kraft an die Tür.
»Wer ist da?« Willis‘ Stimme klang wie animalisches Knurren.
»Ich bin es, Morgana.«
»Verschwinde.«
Morgana kniff die blauen Augen zusammen und starrte die Tür an, als habe diese sie weggeschickt. Einen langen Augenblick blieb sie unentschlossen stehen, dann öffnete sie die Tür und trat ein.
Den Rücken ihr zugewandt, packte Willis gerade die letzten seiner Habseligkeiten in einen Sack und machte ihn zu. Er warf einen Blick über die Schulter, und als er sie sah, fauchte er sie an: »Ich habe dir gesagt, du sollst verschwinden.«
»Was ist los?« fragte Morgana, die nahe der Tür stehengeblieben war. Sie hatte den charmanten Baron noch nie so übelgelaunt erlebt. Eine Vorahnung hielt sie davon ab, weiter in den Raum zu gehen.
Willis drehte sich um und blickte sie an. »Das Glück hat mir übel mitgespielt, aber ich werde es wieder auf meine Seite ziehen.«
»Ich verstehe nicht«, erwiderte Morgana, die zusehends unruhig wurde. »Was ist geschehen?«
»In diesem Augenblick befindet sich dein Vater auf dem Weg zu Devereux, um ihn nach Hause zu bringen«, erklärte ihr Willis. »Elisabeth hat den Gefängnisaufenthalt ihres unglücklichen Midas in Hausarrest umgewandelt.«
»Das sind gute Nachrichten.«
»Der Hundesohn hat stets Glück«, fuhr Willis sie an. Im selben Augenblick erkannte er, daß er seine Fassade hatte fallen lassen. Er trat auf sie und sagte: »Du hättest nicht hierher kommen sollen, Teuerste.«
Die Kälte, mit er dies sagte, und das gefährliche Glimmern in seinen Augen erschreckten Morgana. Sie trat zwei Schritte zurück und griff nach dem Türknauf. »Ich ... ich gehe jetzt«, sagte sie.
»Es tut mir leid, mein Engel.« Willis packte sie am Oberarm und drehte sie herum. »Ich kann es nicht zulassen, daß du meine Zukunft zerstörst.«
Morgana fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die vor Angst ganz trocken waren. Offensichtlich war der Baron verrückt geworden und sie mußte entkommen.
Willis zog aus seinem Wams ein vergilbtes Stück Pergament und wedelte ihr damit vor dem Gesicht herum. »Erinnerst du dich daran?« fragte er sie und hob eine Augenbraue.
Morgana erkannte die Heiratsurkunde, die belegte, daß sie und Henry herzogliche Bastarde waren, dieses verfluchte Dokument, das sie in der Talbotschen Familienbibel gefunden hatte.
Smythe lächelte kalt und grausam. »Ein äußerst wertvolles Dokument.«
»Zerstört es auf der Stelle!« verlangte Morgana und versuchte, es ihm aus der Hand zu reißen. »Es ist wertlos für Euch.«
»Ganz im Gegenteil, mein Engel.« Smythe verstaute das Pergament wieder in seinem Wams. »Es verhilft mir zu zwei Vermögen – dem der Devereux‘ und dem der Talbots.«
»Was meint Ihr damit?«
»Du kannst doch nicht so unglaublich einfältig sein«, fluchte Willis. »Ich habe vor, deine ehelich geborene Schwester zu entführen. Wenn Richard versucht, aus Devereux House zu entfliehen,
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