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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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Einzig das Quietschen der Kellertür, die oben wieder geschlossen wurde, drang, obwohl sie sich noch immer die Ohren zuhielt, zu ihr durch.
    Stundenlang geschah nichts mehr, dann wurde erneut die Tür geöffnet, und das Geräusch sich nähernder Ledersohlen war wieder zu vernehmen. Anna wagte nicht, sich von ihrer Pritsche zu erheben. Erst als sich der Schein einer Fackel ihrer Zelle näherte, stand sie auf. Bruder Adolfus trat an die Tür.
    »Es ist mir nicht erlaubt mit Euch zu sprechen.«
    »Ich weiß.«
    Der Mönch betrat die Zelle, ging zu dem Eimer hinüber und trug ihn hinaus. Sorgfältig schloss er die Tür wieder hinter sich ab und wandte sich zum Gehen.
    »Wärt Ihr wohl so gütig, meinem Bruder einen Gruß von mir zu bestellen?«
    Bruder Adolfus blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihr um. Er wollte etwas sagen, und Anna konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. Ohne ein Wort wandte er sich wieder um, griff nach dem Eimer und eilte davon.
    Es dauerte ein wenig, bis er mit dem entleerten Behältnis zurückkam.
    »Habt Dank«, sagte Anna, als er den Raum betrat und den Eimer wieder abstellte.
    Mit einem Seufzer ließ sie sich auf ihre Pritsche sinken. Adolfus blieb stehen und sah sie nachdenklich an.
    »Gleich werde ich Euch noch frisches Wasser bringen und auch etwas zu essen.«
    »Danke.« Anna sah nicht auf.
    Er zögerte. Sie tat ihm leid, wie sie so dasaß, eingesperrt, im Dunkeln und ohne jeden Kontakt zu anderen Menschen. Und ihm, dem Einzigen, der hier herunterkam, war es strikt verboten, mir ihr zu sprechen. Ihr Anblick erinnerte ihn an die Zeit, in der ihm, jung und unerfahren, wie er gewesen war, noch diverse Verfehlungen gegen die strengen Klosterregeln unterlaufen waren. So war ihm, nachdem er es während des still einzunehmenden Essens zwei Mal gewagt hatte seinen Nachbarn anzusprechen, eine dreiwöchige Schweigezeit als Strafe auferlegt worden. Während dieser drei Wochen hatte er mit niemandem sprechen dürfen und keiner der Mönche mit ihm. Er erinnerte sich daran, wie einsam, ja wie gottverloren, er sich gefühlt hatte und wie es ihm fortan eine Lehre gewesen war, sich nur ja nicht mehr der Sünde der Geschwätzigkeit schuldig zu machen. Nun stand er hier als Kerkermeister eines jungen Mädchens, dessen Verfehlungen ihm nicht klar waren. Zwar stand es ihm nicht zu, die Gründe dafür zu hinterfragen. Er war nur ein einfacher Mönch, und Bruder Hermannus der Stellvertreter des Priors. Aber eigenartig fand er es schon, dass im Kloster neuerdings Gefangene gehalten wurden. Es passte nicht in Adolfus’ Bild von einem Gott gewidmeten Leben, Menschen in einen Keller zu sperren und sie dort sich selbst zu überlassen. War er doch genau deshalb ins Kloster gegangen, weil ihm die Welt und das Gebaren der Menschen außerhalb der sicheren Mauern sowie die Rücksichtslosigkeit, mit der diese einander begegneten, zutiefst zuwider waren. Nun ängstigte es ihn, diese junge Frau ihrer Freiheit beraubt zu wissen, ohne nachvollziehen zu können, welch schwere Sünde sie begangen haben sollte. Denn auch wenn es ihm nicht zustand, sich hierüber den Kopf zu zerbrechen, verfolgte ihn das Bild, wie sie einsam und verlassen auf ihrer Pritsche kauerte, doch bis in seine Träume hinein. Er hatte Anna im großen Saal beobachtet, wenn sie ihm Morgen für Morgen dabei zusah, wie er die Fackeln entzündete. Ganz still hatte sie sich dort immer gegen die Säulen gedrückt, um nur ja von niemandem gesehen zu werden. Wie vom Teufel besessen hatte sie wahrlich nicht auf ihn gewirkt. Und auch jetzt konnte er keine düstere Macht erkennen, die sich ihrer bemächtigt hatte.
    »Was meint Ihr? Würde es Euch eine Freude bereiten, statt des Wassers heute einmal Wein zu bekommen?«
    Langsam sah sie auf. Sie schien ihm müde zu sein, fast war es schon, als begreife sie seine Worte nicht. Ein kleines, fast unmerkliches Lächeln hellte ihr Gesicht auf.
    »Das wäre wunderbar.«

    Als er wiederkam, eilte ihm der Duft guten Essens voraus. Unruhe ergriff Anna. Es roch nach Fleisch, mehr konnte sie nicht ausmachen. Fleisch! Sie hatte bisher in ihrem Leben nur wenige Male hungern müssen, und nie hätte sie gedacht, dass es ihr so viel ausmachen würde. Bruder Adolfus stellte das Tablett vor sich auf dem Fußboden ab, zog sein Schlüsselbund hervor und entriegelte das Schloss. Es schien ihm Freude zu bereiten, Anna mit guten Speisen verwöhnen zu können, denn er lächelte sie herzlich an.
    »Wir haben einen Verbündeten in der Küche«,

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