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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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wurde, um selber einer zu werden …
    Ich sprang auf, ergriff eine lange, spitze Schere vom Waschtisch und stach sie mir mit Wucht und zusammengebissenen Zähnen in den Oberschenkel. Der Schmerz lief wie Feuer über meinen ganzen Körper. Als Blut aus der Wunde quoll, fing ich es mit einem Schwamm auf, und als er vollgesogen war, hielt ich ihn Klara an die Lippen. Sie rührte sich nicht, also presste ich ihn über ihrem Mund aus, sodass sie die lebensrettende Flüssigkeit schlucken musste, wenn sie nicht daran ersticken wollte.
    Die ganze Zeit stand ich unter höchster Anspannung,die sich erst jetzt, als ich bemerkte, dass Klara mein Blut tatsächlich aufnahm, in einem Tränenschwall löste.
    Unter haltlosem Schluchzen tränkte ich den Schwamm ein weiteres Mal mit meinem Blut, und als ich merkte, dass meine Kräfte nachließen, versuchte ich noch einmal Friedrich zu Bewusstsein zu bringen. Diesmal gelang es mir. Er brach seinen Singsang ab und starrte völlig verstört auf die nackte, blutverschmierte Klara in seinen Armen.
    Nun war er es, der stammelte: »Was, was ist geschehen, was habe ich getan?«
    »Du hast Klara gebissen«, konfrontierte ich ihn mit der brutalen Wahrheit. »Aber ich fand euch gerade rechtzeitig. Sie lebt noch, und damit sie am Leben bleibt, brauche ich mehr Blut. Dein Blut, Friedrich.«
    Er starrte mich an. »Aber, dann, dann wird sie ein Vampir …«
    Ich nickte. »Ist es dir lieber, dass sie stirbt? Sie liebt dich, wenn ich sie fragen könnte, würde sie jederzeit allem zustimmen, was sie mit dir vereint.«
    »Aber ich habe sie gebissen, meine Liebe war nicht stark genug …«
    »Umso größer ist deine Verpflichtung, sie nun zu retten!«
    Er zögerte. »Sie wird mir niemals verzeihen.«
    »Sie wird dir verzeihen. Wenn sie eine Vampirin ist, könnt ihr euch bis in alle Ewigkeit lieben … Willst du ihr das verweigern?«
    Mir schien, dass Friedrich weniger an die Liebe zu Klara dachte als an sein geliebtes Junggesellenleben, das gerade unwiederbringlich vor seinen Augen zerrann, und so kannte ich nun überhaupt kein Pardon mehr. Ein Vampir von Mitte dreißig gehörte in die Hände einer Frau, man sah ja, was sonst dabei herauskam. Ungezügelte Lust, blutige Begierde,Wahnsinn! Nein, wehret den Anfängen, dachte ich und schlug ohne Zögern Friedrich die Schere ebenfalls in den Oberschenkel. Er schrie wehleidig auf, aber da er sich ja ordentlich bei Klara bedient hatte, sprudelte prächtig rotes Blut hervor, und ich setzte meine Rettungsbemühungen sehr viel erfolgreicher fort. Klara saugte nun selber das Blut aus dem Schwamm und schließlich schlug sie die Augen auf.
    Sie war zunächst genauso erschüttert wie Friedrich, sich in einer derart makabren Situation wiederzufinden, aber ich reichte ihr ein großes Badetuch und Friedrich hüllte sie darin ein. Dann griff er nach seinem Bademantel und schließlich trug er Klara, wegen seines verletzten Oberschenkel recht theatralisch hinkend, hinüber in sein Schlafzimmer und legte sie dort auf das Bett. Ich blieb in der Tür stehen, und als Klara mich fragend ansah, sagte ich: »Lass es dir von Friedrich erklären«, und schloss die Tür.
    Ich musste daran denken, wie wir miteinander angestoßen hatten und sie gesagt hatte: »Schwestern für immer!« Und schmunzelnd korrigierte ich in Gedanken: für die Ewigkeit!
     
    E
s war im März 1925. Ich saß am Sekretär meiner Mutter und starrte auf das Foto vom flaggenbedeckten Sarg des Reichstagspräsidenten Friedrich Ebert auf dem Titelblatt der Berliner Illustrirten Zeitung, als ich es in der Brüderstraße plötzlich nicht mehr aushielt. Ich musste nach Blankensee. Ich wollte wissen, ob das, was dort geschehen war, mir einen Aufenthalt auf dem Gut für immer unmöglich machen würde. Ich ließ Lysander bei Friedrich und Klara, die nun ein echtes vampirisches Liebespaar waren, und machte mich in der Abenddämmerung mit derFamilienchronik im Gepäck alleine dorthin auf. Ich hatte inzwischen gelernt, wie man ein Automobil lenkte, und war sogar in der Lage, einen Lastwagen mitsamt einer Agitprop-Truppe durch das nächtliche Berlin zu kutschieren. So überließ mir Friedrich, zwar mit blutendem Herzen, aber von Klara sanft gedrängt, sein kostbares Automobil. »Aber geh wirklich achtsam damit um«, verlangte er.
    »Jaja«, meinte ich leichthin, »ich werde es an den ersten Alleebaum setzten, der sich mir auf Blankensee in den Weg stellt.«
    Er gab mir einen freundschaftlichen Schubs und ich lachte. »Denk

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