Die dunkle Seite des Ruhms
Pemm vorschwebt, ist einsame Klasse: Die alten großen Sänger stehen in der letzten Folge um den Teich und den toten Varone und singen den Schlußchor aus dem Tannhäuser. Das bleibt hängen, Jérome, das vergißt keiner mehr! Das wird Fernsehgeschichte! Ich habe nie geglaubt, daß Pemm so ein cleverer Junge ist und vor Ideen sprühen kann. Was meinst du dazu?«
»Scheiße!« sagte Ballister grob.
»Einschaltquote mindestens 85 Prozent!« Hunters tat beleidigt. »Bonanza ist dagegen ein Limonaden-Sketch!«
»Für so eine Scheiße sperre ich mein Haus!« sagte Ballister laut.
»Dann bauen wir's im Atelier nach! Nichts einfacher als das: Die Fassade und nen Teich, ein paar Bäume, Dunkelheit … Jérome, das ist ein Filmstoff, für den andere Autoren Fässer voll Tinte saufen würden, wenn ihnen der Gedanke käme. Überleg es dir, Jérome. Hier steckt für dich sogar der Vizepräsident von ACF drin.«
Ballister trank das Glas Whiskey aus, das Hunters spendiert hatte, und verzog den Mund, als habe er Jauche getrunken. »Da muß also erst ein Mord passieren, um das Törchen nach oben aufzustoßen«, sagte er. »Hunters, das widert mich an! Haben wir denn wirklich so einen Mist-Job?«
»Wir machen Fernsehen für über 100 Millionen. Schon vergessen?« Hunters wühlte in einer Mappe mit den neuesten Statistiken, aber Ballister winkte ab. Er kannte sie ebenso gut wie Hunters. Computerberechnungen, nach denen sie alle tanzen mußten. Die Einschaltzahlen der einzelnen Sender, die Repräsentativumfragen der Meinungsforschungs-Institute, die man potenzieren mußte, um dem wirklichen Zahlenspiegel nahe zu kommen, all diese herzlosen Berechnungen, wo ein halbes Prozent Plus oder Minus gleich Millionen Dollar darstellten. »ABC und BFN hatten im letzten Quartal eine Sehsteigerung von …«
»In diesem Quartal sind wir Sieger!« unterbrach Ballister gequält. »Drei Knüller, davon zwei von Felicitas.«
»Und einer von Pemm!« Hunters wackelte mit den großen Ohren. Er konnte das vorzüglich, was ihm auch den Spitznamen ›Das Elefantchen‹ eingebracht hatte. Böse Zungen behaupteten, er habe sich an sein normales Ohr besonders große Ohrmuscheln transplantieren lassen, um jeden Furz im Funkhaus zu hören. »Jérome, wir sind eine Firma, die Geld verdienen muß, um unsere Aktionäre nicht vom Champagner zu entwöhnen. Muß ich das ausgerechnet dir sagen? Wer hat vor Jahren die Fährte aufgenommen, daß Marilyn Monroe nicht durch Tabletten, sondern durch die Spritze eines Arztes der Kennedy-Familie gestorben sein soll? Auch wenn's 'ne Ente war … journalistisch war das eine Superbombe!«
»Das war etwas ganz anderes, Hunters.«
»Natürlich. Da betraf es nicht das eigene Haus! Aber ein guter Fernsehmann macht auch vor der eigenen Schwelle nicht halt.« Hunters beugte sich über den breiten Tisch, der sie trennte. »Jérome, ich habe da überhaupt die Idee des Jahrhunderts!«
»Bitte vergessen, Hunters!« sagte Ballister sauer.
»Felicitas wird die Hauptrolle spielen! Die Saunders zum erstenmal als Schauspielerin in einer Bombenrolle! Ha, ist das eine Idee!« Hunters wackelte wieder mit den Ohren. »Wir braten eine Handlung hin, die vom Säugling bis zur Urahne Wonneseufzer erzeugt! Deine Lora macht auch mit: Hauptrolle Nummer zwei! Sie spielt sich selbst, die Frau eines Fernsehbosses, die große Partylöwin. Und Felicitas wird ihre Gegenspielerin sein, der man ihren Geliebten, eben Varone, ermordet.«
»Ich höre mir den Blödsinn nicht länger an!« sagte Ballister und stand auf. »Ich bereite eine Sendung aus dem Weißen Haus vor, das ist wichtiger!«
»Aber der Knall kommt ja noch, Jérome! Alle glauben, Varone sei ihr Liebhaber, auch wenn fast 30 Jahre Altersunterschied dazwischen liegen. Und erst, als der Gute leblos im Teich wässert, erfährt man, daß es nicht ihr Geliebter, sondern ihr heimlicher Vater war! Darum lebte sie bei ihm! Der eifersüchtige Mörder hat also vollkommen sinnlos getötet! Junge, in ganz Amerika werden die Taschentücher ausverkauft sein! Wenn 100 Millionen heulen, gibt's Hochwasser! ACF kann sich seinen Sendemast vergolden lassen! Und da winkst du ab?«
»Weder Lora noch Felicitas, Hunters!« sagte Ballister laut und endgültig. »Und als Rivalinnen schon gar nicht! Eher gebe ich meinen Job auf!«
Er verließ den verblüfften Hunters und fuhr mit dem Lift hinunter in das unterirdische Studio Nr. 4, wo gerade eine Sendung ›Physik für den Hausgebrauch‹ aufgenommen wurde. Das
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