Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
genau zu sein.
Deswegen kam sie ja auch in U-Haft, sonst hätten sie die Kollegen ins
Ausreiselager in die Hafenstraße nach Fürth gebracht.«
Hackenholt nickte.
»Und jetzt rate mal, was das für
Pillen sind. Da kommst du nie drauf! So etwas hat es bisher nämlich noch nicht
gegeben! Die bestehen aus gepresstem GHB -Pulver!
Deswegen hat es mit der Analyse auch so lange gedauert. Die Chemiker haben die
Pillen auf alle gängigen Stoffe hin untersucht, aber auf GHB sind sie erst ganz zum Schluss
gekommen.«
» GHB in Pillenform? Das ist wirklich etwas ganz Neues.« Hackenholt schüttelte
verständnislos den Kopf. »Aber warum presst es jemand in eine Form, wenn man
das Zeug dann doch wieder in einem Getränk auflöst? Warum macht man sich
überhaupt die Mühe, daraus ein Pulver herzustellen? Flüssig ist es doch am
einfachsten unterzumischen.«
»Für mich sieht das eher nach
einer Spielerei aus. Du hast mir doch erzählt, dass dein verschwundener
Jugendlicher ein Chemiegenie ist. Dazu würden die Pillen absolut passen.
Einfach nur das GBL aus den
Putzmitteln herauszulösen und in GHB zu synthetisieren war ihm nicht genug Herausforderung. Er wollte etwas Einzigartiges
machen. Allerdings kann ich dir keine Verbindung zwischen ihm und der Orlowa
liefern.«
»Damit kann ich dir aushelfen«,
seufzte Hackenholt. »Christine Mur hat gestern vor Ort einen sehr auffälligen
Fingerabdruck wiedererkannt, auf den sie schon in der Gartenhütte gestoßen ist,
in der wir die leeren Kanister mit dem Gebäudereiniger sichergestellt haben.«
Wieder pfiff Leichtle durch die
Zähne. »Schau an, schau an. Dann liege ich mit meiner Vermutung vielleicht gar
nicht mal so falsch!«
Nachdem Leichtle gegangen war,
rief Hackenholt bei dem Kollegen an, der sich um Jonas’ Laptop kümmerte.
»Konntest du schon herausfinden, mit wem der Junge sich über den Messenger
unterhalten hat?«
»Frank, du hast keine
Vorstellung, wie aufwendig das ist, nicht wahr?«
Hackenholt brummte eine
unverständliche Antwort, denn er wollte nicht zugeben, dass er in der Tat nicht
den blassesten Schimmer davon hatte, wie man derlei Gespräche rekonstruieren
konnte.
»Zuerst muss man die einzelnen IP s herausfinden«, erklärte ihm der Kollege.
»Darüber kann man dann mit Hilfe des Internetproviders den jeweiligen
Anschlussinhaber ermitteln. Das dauert alles seine Zeit und ist eine
Papierschlacht sondergleichen. Wenn wir Glück haben, kann ich dir Ende der
Woche sagen, mit wem der Junge Kontakt via Messenger hatte.«
Hackenholt bedankte sich und
legte frustriert auf. Ende der Woche! Einem Impuls folgend griff er wieder zum
Hörer und rief den Kollegen noch mal an.
»Es ist immer noch Dienstag,
Frank!«
»Danke, dass du mich daran
erinnerst, aber kannst du mir in der Zwischenzeit die Liste mit den Namen
schicken, die im Messenger gespeichert sind? Die hast du letztes Mal nicht
dagelassen.«
»Du meinst die Pseudonyme?«
»Ja, genau die.«
»Klar, das ist kein Problem. Ich
schicke sie dir gleich per Mail.«
Sobald Hackenholt die Namen vor
sich auf dem Bildschirm hatte, griff er ein drittes Mal zum Telefon. Diesmal
wählte er Saras Handynummer. Sie war noch immer die Einzige, von der er
definitiv wusste, dass Jonas mit ihr befreundet war. Warum sollte sie sich also
nicht auch über den Messenger mit ihm unterhalten haben? Jugendliche taten das,
auch wenn sie sich schon den ganzen Tag über gesehen hatten. Sara meldete sich
sofort. Sie klang ziemlich enttäuscht, als sie hörte, wer der Anrufer war. Ihre
Reaktion erinnerte Hackenholt an die von Frau Petzold.
»Du hast gehofft, dass es Jonas
ist, nicht wahr?«, fragte er ins Blaue hinein. Für einen langen Moment blieb es
still in der Leitung, dann hörte er sie seufzen.
»Ja«, sagte sie gedehnt. »Seit
Dienstag warte ich ständig darauf, dass er sich meldet. Wenn er von zu Hause
aus anruft, ist die Telefonnummer auch immer unterdrückt. Deswegen habe ich
gedacht …« Sie verstummte.
»Du hast also noch nichts von
ihm gehört?«
»Nein.« Aus dem Wort sprach die
gesamte Niedergeschlagenheit, die sich in den letzten Tagen in dem jungen
Mädchen aufgestaut hatte.
»Sara, ich muss noch einmal mit
dir reden«, sagte Hackenholt sanft. »Wir tun unser Möglichstes, um Jonas zu
finden, aber ich brauche dafür deine Hilfe. Alleine komme ich nicht mehr
weiter.«
»Was wollen Sie denn wissen?«
Sie klang schon wieder vorsichtig.
»Wo bist du gerade? Lass uns
irgendwo treffen, wo wir reden
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