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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Uhr abends und geht dann mit denen essen, die noch da sind. Irgendwann einmal waren wir nur zu zweit. Dalmate hat vor ungefähr zehn Jahren geheiratet. Er hat das Priesterseminar wegen der Liebe verlassen. Sechs oder sieben Jahre lang ging alles gut, dann kamen die Probleme. Er sagt, dass er Kinder haben wollte, seine Frau aber nicht. Eine Kollegin aus meiner Abteilung, die Dalmates Frau kennt, behauptet das Gegenteil. Meines Wissens ist Dalmate sehr seriös und geht offenbar auch nicht fremd.«
    »Sagt dir der Name Lora Dimitrova etwas?«
    »Aber sicher. Ich bin am Montag aus dem Urlaub zurückgekommen und habe erfahren, dass sie umgebracht worden ist. Schrecklich! Führst du die Ermittlungen?«
    »Ja, so ist das nun mal bei der Kripo. Es handelt sich im Übrigen um drei Morde, und alles ist ziemlich kompliziert. Aber davon erzähle ich dir ein anderes Mal. Woher kennst du die Dimitrova?«
    »Sie hat zwei Reportagen über den Nachrichtendienst gemacht und mich bei dieser Gelegenheit lange interviewt. Eine äußerst angenehme, sehr professionell arbeitende Frau. In meiner Abteilung hat sich die Nachricht von ihrem Tod wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Frau war uns allen hier auf Anhieb sympathisch.«
    »Ist das lange her?«
    »Etwa anderthalb Jahre.«
    »Hast du sie danach noch einmal gesehen?«
    »Nein. Eigentlich wollte sie wieder einmal vorbeischauen und ein Glas mit uns trinken, aber dann kam sie doch nicht. Das ist etwa vier, fünf Monate her.«
    »Kannte Dalmate sie?«
    »Bestimmt ist er ihr ein- oder zweimal über den Weg gelaufen, aber das weiß ich nicht genau. In den Reportagen ging es nicht um seinen Arbeitsbereich. Hast du mit ihm darüber gesprochen?«
    »Noch nicht. Bisher hatten wir keine Gelegenheit dazu.«
    »Aber das ist der Grund für deinen Anruf, oder irre ich mich?«
    »Nein, du hast völlig recht. Ich wollte wissen, ob sie sich kannten und wie du ihn einschätzt. Danke für deine Auskunft.«
    Auf dem Heimweg musste Mistral wieder gegen den Schlaf ankämpfen. Sobald er aufhörte, zu arbeiten, überfiel ihn die Müdigkeit. Er drehte das Radio lauter, doch das nützte nichts. In Neuilly schlief er vor einer roten Ampel ein. Erst das Hupkonzert der anderen Autos weckte ihn auf. Mit pochendem Herzen fuhr er weiter und fragte sich, wo er sich befand. Um wach zu bleiben, telefonierte er mit allen Leuten, die ihm einfielen. Manche sollten später sagen, dass sie ihn für betrunken gehalten hatten, weil er so zusammenhanglos daherredete.
    Auch zu Hause versuchte er sich zusammenzureißen, um wach zu bleiben. Clara hatte es aufgegeben, von einem verlängerten Wochenende zu sprechen. Sie begriff, dass ihr Mann unter Druck stand und völlig erschöpft war. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, erzählte sie von den Ferienerlebnissen der Kinder. Mistral konnte dem Gespräch kaum folgen. Ständig musste er an die Ergebnisse von Élisabeth Maréchal, die Aufzeichnung der Stimme des Mörders, die Ängste der Direktorin von FIP, Paul Dalmate und tausend andere Dinge denken, die seine Ermittlungen betrafen. Als er sich auf das Bett setzte, schlief er ein, ehe sein Kopf das Kissen berührt hatte.
    Mistral taumelte durch einen Wirrwarr von Träumen: Bruchstücke von Erinnerungen, Fetzen der laufenden Ermittlungen und Bilder eines Mannes, der ihn mit einem Messer verfolgte. Vor allem die letzte Sequenz kehrte immer wieder zurück, als wolle sie seine Aufmerksamkeit erregen. Mistral träumte in letzter Zeit immer weniger, weil sein Schlafrhythmus gestört war. Sobald sich aber die Welt der Träume auch nur einen Spaltbreit öffnete, tauchte jedes Mal der Mann mit dem Messer auf. Manchmal stieß Mistral mit einem Mann zusammen, der einen riesigen Spiegel trug. Den Mann konnte er nicht sehen, nur seine behandschuhten Hände, die den Spiegel hielten. Mistral sah nur sich selbst – einen erschöpften, abgemagerten Mann mit vor Müdigkeit verzerrtem Gesicht.
    Gegen drei Uhr morgens schreckte er in Schweiß gebadet auf. Er brauchte zwei Minuten, ehe ihm bewusst wurde, dass er in seinem Bett lag. Clara sah ihn an.
    »Du hast geschrien.«
    »Wahrscheinlich ein Albtraum. Aber ich kann mich an nichts erinnern.«
    Ludovic Mistral stand auf, um ein wenig Obst zu essen und etwas zu trinken. Er war nicht mehr müde. In einer Schublade seines Schreibtischs lag ein Heft, dem er seine Träume anvertraute. Der Mann, der ihn mit dem Messer verfolgte – diesen Traum hatte er sicher schon mindestens dreißig Mal aufgeschrieben.

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