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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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dass jemand sie wahrscheinlich zu genau diesem Zweck ausgehoben hatte.
    Mirella schien es nicht anders zu gehen. Ich konnte ihre Beklemmung spüren.
    »Meinst du, es gab hier Tote?«, fragte sie tonlos, während sie in die Tiefe hinab starrte.
    »Das werden wir jetzt definitiv nicht herausfinden. Lass uns weitergehen.« Ich fasste Mirella sanft am Arm und zog sie mit mir.
    Wir gingen schweigend durch das Labyrinth der Gänge, eingehüllt in den kleinen Lichtkegel der Taschenlampe wie in eine schützende Hülle. In der Kälte stieg unser Atem als feiner Dampf auf.
    Es dauerte eine Weile, bis wir den Raum erreichten, zu dem uns Manuel bei unserem ersten Besuch geführt hatte. Vor der halb offenen Tür blieben wir stehen. Noch immer brannten die Kerzen. Ihr Schein erhellte das gesamte Zimmer und tauchte es in ein sanft goldenes Licht, in welchem sich das strahlende Weiß der Lilien von den dunklen Wänden abhob. Weißes Gold … in voller Blüte.
    Mein Blick wanderte weiter zu den unzähligen Präparaten, die wie stille Soldaten auf den Regalen standen. Wie alt mochten sie sein? War es eine offizielle Sammlung, die einmal dem Krankenhaus gehört hatte? Oder hatte Heinrich Ewald sie in seinem Privatbesitz gehabt? Wieder Fragen, auf die ich keine Antwort fand.
    »Diese Kerzen«, sagte Mirella. »Es kann doch nicht sein, dass die so lange brennen. Oder?«
    Ich schüttelte wortlos den Kopf. Nein, das konnte es nicht. Doch auch ich fand keine schlüssige Erklärung. Bis auf die Tatsache, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Ich musterte die brennenden Kerzen, deren Dochte so still standen, als befänden sie sich unter Glas. Merkwürdig war das alles. Und erneut hatte ich das Gefühl, dass ich einer Lösung ganz nahe war. Dass ich den Schlüssel kannte, der uns Claras Geheimnis offenbarte. Und dieses unbestimmte Wissen, das sich nicht greifen ließ, machte mich wahnsinnig.
    Ein erneuter kühler Hauch in meinem Nacken jagte mir ein Prickeln über den Rücken. Ich musste mich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, dass Mirella und ich nicht alleine hier unten waren. Jemand war bei uns, beobachtete uns, folgte jedem unserer Schritte. Unauffällig, um Mirella nicht zu beunruhigen, warf ich einen Blick über die Schulter. Und wirklich. Keinen Meter von mir entfernt stand Claras Geist. Ihr Blick ruhte abwartend auf uns.
    Verrat mir, was du weißt , fragte ich sie in Gedanken.
    Doch Clara blieb stumm. Sie deutete nur mit einem Nicken auf das Zimmer. Ihr Zimmer.
    Als wir den Raum betraten, zuckte ich innerlich zusammen. Es war mir beim ersten Besuch nicht aufgefallen, vielleicht war ich zu beschäftigt gewesen mit der Beobachtung von Manuel. Oder von Mirella. Aber jetzt, jetzt nahm ich es ganz deutlich war. Es war, als würde sich ein feines Netz aus Spinnenweben ganz leicht auf meine Haut legen, genau in dem Moment, als ich durch die Tür schritt. Ich versuchte wahrzunehmen, was mit mir passierte. Dann war es vorbei. Ich hielt mitten in der Bewegung inne, drehte mich um und starrte auf den Durchgang der Tür.
    Mirella musterte mich. »Was ist los?«
    Ich schüttelte irritiert den Kopf. Dann machte ich eine wegwischende Handbewegung. »Nichts«, sagte ich betont gleichgültig. »Gar nichts.«
    »Hier, die Lilien«, sagte Mirella, während sie zum Bett hinüberging. »Sie sehen noch immer aus wie vorher. Anscheinend verwelken sie nicht.« Sie zog ein Foto aus der Tasche, das die ausgestorbene Lilienart zeigte, und verglich es mit den wenigen noch im Zimmer verbliebenen Blumen. »Sieht für mich vollkommen identisch aus«, sagte sie. »Also selbst wenn das Labor einen Fehler gemacht hat, was ich nicht glaube, ist die Chance, dass das hier wirklich ‚Weißes Gold‘ ist, verdammt hoch.«
    Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und spürte, wie mein Herz schneller zu schlagen begann. Eine Vermutung hatte sich in meine Gedanken geschlichen, ein verrückter Verdacht, der nun bewiesen werden wollte. Die ewig blühenden Lilien, die starren Kerzenflammen … Ich sah zu Mirella hinüber. »Sag etwas.«
    Sie hob die Brauen. »Wie bitte? Was meinst du?«
    Fasziniert blickte ich sie an. »Dein Atem«, sagte ich und meine Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Es ist kalt hier unten. Kein Wunder, es hat geschneit und wir sind in einem modrigen Keller. Und als wir durch die Gänge gelaufen sind, da war unser Atem als Wasserdampf in der Luft zu sehen. Aber hier … nichts.« Ich machte eine Pause und ein breites Grinsen drängte sich auf

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