Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Araber zu ziehen. Auch wenn Konstantinos sich das nur ungern eingestand – sie waren mitunter bessere Ärzte als jene, die sich streng an die christliche Lehre hielten, derzufolge jede Krankheit auf Sünde zurückging.
Sofern dieser Anastasios besondere Fertigkeiten besaß, würde er damit früher oder später eine größere Anzahl von Patienten an sich ziehen. Kranke Menschen hatten Angst, und wer sich dem Tod nahe fühlte, gab bisweilen Geheimnisse preis, die er andernfalls für sich behalten hätte.
Er verbrachte den Rest des Nachmittags mit kirchlichen Angelegenheiten, sprach mit Priestern und Bittstellern, die von ihm Beistand in dieser oder jener Sache begehrten, um geistlichen Rat oder Fürsprache ersuchten, ein Sakrament gespendet haben wollten und dergleichen. Sobald der Letzte von ihnen gegangen war, wandten sich Konstantins Gedanken erneut dem Eunuchen aus Nikaia und dem Mord an Bessarion Komnenos zu. Es galt, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass sich der junge Mann auch andernorts um Antworten auf seine Fragen nach Ioustinianos bemühte.
Zwar war der Bischof überzeugt, dass keinerlei Gefahr mehr bestand, doch es war besser, sich Gewissheit zu verschaffen.
Mit einem Umhang über seiner mit Brokat und Edelsteinen besetzten Dalmatika trat er auf die Straße hinaus. Rasch schritt er den leicht ansteigenden Hügel hinauf und hob den Blick zum Valens-Aquädukt, der über ihm aufragte. Schon seit über sechshundert Jahren versorgte er die Menschen jenes Stadtteils ununterbrochen mit sauberem Wasser. Es machte ihm Freude, das Bauwerk anzusehen, dessen große Kalksteinblöcke nicht Mörtel zusammenhielt, sondern ausschließlich das große handwerkliche Geschick seiner Erbauer. Es schien ihm so zeitlos und unzerstörbar wie die Kirche selbst zu sein, die von der Wahrheit und Gottes Gesetzen aufrechterhalten wurde und den Gläubigen das Wasser des Lebens spendete.
Er bog nach links in eine ruhigere Straße ein und ging weiter aufwärts, wobei er den Umhang enger um sich zog. Für den Fall, dass Anastasios Zarides denselben Gedanken gehabt haben sollte wie er, wollte er ihm zuvorkommen und mit Bessarions Witwe Helena Komnena sprechen. Er
befürchtete, dass sie sich unter Umständen als das schwache Glied in der Kette erwies.
Der Regen hatte aufgehört, doch lag nach wie vor Feuchtigkeit in der Luft. Bis er das Haus erreicht hatte, waren seine Schuhe von Schlamm bespritzt, und seine Beine schmerzten. Allmählich hatte er ein Alter und ein Gewicht erreicht, die es ihm nicht mehr leichtmachten, Steigungen zu bewältigen.
Ein Diener führte ihn durch das große schmucklose Atrium in einen Vorraum mit einem herrlichen Mosaikboden und verschwand dann, um seine Herrin von der Ankunft des Bischofs in Kenntnis zu setzen.
Von ferne hörte er Stimmengemurmel und dann das perlende Lachen einer Frau. Das war keine Dienerin, dafür klang es zu unbeschwert. Es musste Helena sein, die ganz offenkundig Besuch hatte. Es wäre interessant zu erfahren, wer das war.
Der Diener kehrte wieder, geleitete ihn durch einen Gang zu einer Tür, kündigte ihn an und trat dann zurück. In diesem Augenblick kam eine Dienerin mit einem herrlichen Parfümflakon aus goldgefasstem, blaugrün schimmerndem Glas mit Perlenbesatz in den Händen heraus. War das ein Geschenk des Besuchers, der Helena zum Lachen veranlasst hatte?
Sie stand in der Mitte des Raumes. Auch wenn sie nicht besonders groß war, musste man sie mit dem Ebenmaß ihrer Proportionen als Schönheit bezeichnen. Sie hatte geschwungene Brauen und bemerkenswert hohe Wangenknochen. Dadurch, dass sie ihre Tunika an der Schulter mit einer Spange zusammenhielt und um die Taille mit einem Gürtel raffte, betonte sie sowohl den Schwung ihres Busens als auch den ihrer Hüften. Da das Trauerjahr nach dem
Tod ihres Mannes noch nicht abgelaufen war, trug sie keine Juwelen und lediglich zurückhaltenden Schmuck in ihrem dunklen vollen Haar.
Sie trat auf ihn zu und begrüßte ihn mit feierlicher Würde. Dabei sah er, dass Tränen in ihren Augen standen.
» Wie freundlich von Euch, mich zu besuchen, Ehrwürdigste Exzellenz. Seit dem Tode meines Mannes fühle ich mich sonderbar einsam.«
»Ich denke, dass ich mir vorstellen kann, wie tief betrübt Ihr seid«, gab er zur Antwort. Er wusste genau, was sie für Bessarion empfunden hatte, und kannte weit mehr Einzelheiten dessen, was ihm widerfahren war, als sie ahnte. Doch darüber würde zwischen ihnen nie gesprochen werden. »Sagt es,
Weitere Kostenlose Bücher