Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Stimme.
»Ist es recht, von Gott ein Wunder zu erwarten, wenn wir das Ergebnis mit ein wenig Mühe und Klugheit selbst erreichen können?«, fragte er.
»Da zeigt sich der wahre Römer«, sagte sie spöttisch, doch ohne ihr Interesse zu verbergen. »An was für ein Wunder habt Ihr denn gedacht?«
»Konstantinopel vor der Niederlage und einer Besetzung durch Charles von Anjou zu bewahren«, gab er zurück.
»Tatsächlich? Und warum?« Sie stand reglos da. Lediglich die Flammen des Feuers im großen Kamin erweckten den Eindruck, dass sich in dem Raum etwas bewegte.
»Weil ich überzeugt bin, dass das Ende der Christenheit nicht lange auf sich warten lassen wird, wenn Byzanz fällt«, gab er zurück, womit er nicht die ganze Wahrheit sagte. Seine Haltung ging zum Teil darauf zurück, dass sich das Papsttum zu seinem Kummer von seinen Grundsätzen entfernt hatte und dadurch entehrt worden war, zum Teil aber auch darauf, wie er überrascht feststellte, dass er im Laufe der Zeit die Schönheit der byzantinischen Kultur schätzen gelernt hatte. Es würde die Welt ärmer machen, wenn man sie zugrunde richtete. Beides erfüllte ihn mit tiefem Groll.
Sie nickte bedächtig. »Und warum sagt Ihr das mir? Das müsste man Eurem kurzsichtigen und weltlichen Dingen zuneigenden Papst mitteilen. Was glaubt Ihr wohl, warum wir in der orthodoxen Kirche dagegen sind, uns ihm zu unterstellen? «
»Ich bin gekommen, um ein anderes Vorgehen anzuregen. «
Ihre Augen öffneten sich weit. »Anders als was?«
»Als die heranrückenden Schiffe des Feindes mit griechischem Feuer zu beschießen oder den Angreifern von der Stadtmauer herab siedendes Pech auf die Köpfe zu schütten«, gab er mit einem Lächeln zur Antwort. »Zwar habe ich im Grunde nichts dagegen, würde aber etwas früher losschlagen.«
Sie hörte ihm aufmerksam zu.
»Und zwar in Europa, bevor er in See sticht«, fuhr er fort. »Insbesondere in Spanien, Portugal und vielleicht auch in Teilen Frankreichs. Dort würde ich den Aufruhr schüren, an das Eigeninteresse der Menschen appellieren, ihnen klarmachen, welche Nachteile es für sie bedeuten würde, wenn Charles von Anjou mit seinem Vorhaben Erfolg hätte.«
»So etwas kostet Geld«, gab sie zu bedenken, doch zugleich blitzte das alte Feuer in ihren Augen auf. »Die Ausgaben für die Verteidigung zehren den Inhalt von Kaiser Michaels Schatzkammer vollständig auf.«
Palombara wusste, dass sie so gut wie leer war, sagte aber nichts. »Und was ist mit den großen Handelshäusern der Stadt?«, fragte er. »Könnte man deren Besitzer nicht dazu überreden, einen nennenswerten Beitrag zu leisten?«
Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Ich denke, Bischof, dass das möglich wäre. Ich bin sicher, dass es … Mittel und Wege gibt, sie zu überzeugen.«
Er sah ihr fest in die Augen. »Falls ich Euch behilflich sein kann, sagt es mir.«
»Das werde ich tun. Darf ich Euch ein Glas Wein anbieten? Mandeln?«
Er nahm die Einladung an, gleichsam als Besiegelung eines Paktes.
KAPİTEL 86
Der Winter kam Zoe unnatürlich dunkel vor, doch die Kälte spürte sie nach Palombaras Besuch nicht mehr. Sie wusste, was sie zu tun hatte, brauchte nur noch ein wenig darüber nachzudenken, wie sie dabei am besten vorging.
Von Scalini und anderen hatte sie erfahren, dass man im Westen dabei war, umfangreiche Vorbereitungen für den Kreuzzug zu treffen. Er hatte ihr berichtet, dass Belagerungsmaschinen, Katapulte, Rossharnische und sonstiges Zubehör bereit waren und der König in Sizilien Fußtruppen und Berittene in großer Zahl zusammenzog. Als Erstes wollte er Konstantinopel erobern und von dort an der Spitze seines Heeres im Triumph nach Jerusalem ziehen. Dabei würde alles vernichtet, was sich ihm in den Weg stellte. Es hatte Kreuzfahrer noch nie bekümmert, dass sie eine Fährte von Blut in ihrem Gefolge zurückließen.
Auch die Veränderung, die mit Helena vor sich gegangen war, bereitete Zoe nach wie vor große Sorge. Da sie in der Zeit unmittelbar nach Irenes Tod eingesetzt hatte, lag der Gedanke nahe, dass ein Zusammenhang bestand, und daraus ergab sich eine unangenehm deutliche Schlussfolgerung: Auf irgendeine Weise musste Helena erfahren
haben, dass sie die Tochter von Michael Palaiologos war.
Während Zoe am Kaminfeuer stand, drängte sich ihr der Gedanke an Helena immer wieder so heftig auf, als ströme durch ein offen gelassenes Fenster ein Schwall eiskalter Luft herein.
Helena würde sich mit
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