Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
helfen?« Er hielt Logans Chipstüte hoch. »Ihre Einkäufe, soll ich Ihnen helfen, die einzupacken?«
»Oh, nein. Nein danke.«
Logan stopfte den Wein, die Chips und die Zwiebeln in eine Plastiktüte und ging hinaus auf den Parkplatz. Er hätte vielleicht ein paar Flaschen Bier für die frierenden, durchnässten und frustrierten Polizisten kaufen sollen, die er ganz umsonst hierher geschleppt hatte, aber jetzt war es zu spät.
Plötzlich hörte er Gelächter, und als er sich umdrehte, sah er das kleine Mädchen aus dem Supermarkt in einer Pfütze auf und ab hopsen, während die Oma lachend danebenstand und in die Hände klatschte.
Er stand da und betrachtete die Szene, und seine Miene wurde plötzlich nachdenklich.
Wenn Richard Erskines Vater seinen Jungen nicht sehen durfte, galt das wahrscheinlich auch für die Großeltern. Ein Spiel, bei dem alle verlieren …
Das Zimmer mit dem Doppelbett hatte nicht den Eindruck gemacht, als ob ein Zweiundzwanzigjähriger darin schlief. Diese gehäkelte Tagesdecke und die ganzen Feuchtigkeitscremes. Die halb nackte Frau und der Computer – das passte schon eher.
Er schwang sich wieder in den Wagen und deponierte die Einkaufstüte zwischen seinen Füßen.
»Was halten Sie davon, wenn wir noch mal bei Mr. Caldwell vorbeischauen?«, fragte er lächelnd.
Der dunkelrote Clio stand noch in der Einfahrt, aber nun parkte auch noch ein hellblauer Volvo-Kombi vor dem Haus, mit zwei Rädern auf dem Bordstein. Bei dem Anblick wurde Logans Grinsen noch breiter.
»Parken Sie auf demselben Platz wie vorhin«, wies er den Fahrer an. »Sie beide gehen hinters Haus, wir klingeln an der Tür.«
Logan gab ihnen eine Minute, um ihren Posten zu beziehen, und bearbeitete dann den Klingelknopf mit dem Daumen.
Darren Caldwell öffnete die Tür. Seine anfangs genervte Miene wich einem Ausdruck der Panik, um dann in eine Art aufgeregte Entrüstung zu münden – und das alles binnen weniger Sekunden.
»Hallo, Darren«, sagte Logan und schob den Fuß in die Tür, damit er sie ihm nicht vor der Nase zuschlagen konnte. »Macht’s Ihnen was aus, wenn wir noch mal kurz reinkommen?«
»Was wollen Sie denn jetzt schon wieder, Mann?«
»Darren?« Es war die Stimme einer Frau, hoch und ein wenig zittrig. »Darren, da stehen zwei Polizisten im Garten!«
Darrens Blick schoss zu der offenen Küchentür und dann wieder zurück zu Logan.
»Darren!«, rief die Frau erneut. »Was sollen wir denn bloß tun?«
Der junge Mann ließ die Schultern sinken. »Es ist schon okay, Mama«, sagte er. »Wie wär’s, wenn du uns erst mal einen Tee kochst, hm?« Er trat zurück, um Logan und die Polizistin einzulassen.
Im Wohnzimmer stand ein Haufen Einkaufstüten auf dem Boden. Logan öffnete eine und stellte fest, dass sie nagelneue Kleider für ein kleines Kind enthielt.
Eine Frau von Ende vierzig kam aus der Küche. Sie hielt ein Geschirrtuch an die Brust gedrückt und schlang es um die Finger wie einen Rosenkranz. »Darren?«, fragte sie.
»Es ist schon in Ordnung, Mama. Es ist zu spät.« Er ließ sich auf das fürchterliche grüne Sofa sinken. »Sie werden ihn uns wegnehmen, nicht wahr?«
Logan bedeutete der Polizistin, sich in die Wohnzimmertür zu stellen.
»Wo ist er?«, fragte er.
»Das ist nicht fair!« Darrens Mutter fuchtelte mit dem Geschirrtuch vor Logans Gesicht herum. Es war mit tanzenden Schäfchen bedruckt. »Warum darf ich meinen Enkel nicht sehen? Warum darf er nicht bei seinem Vater wohnen?«
»Mrs. Caldwell …«, setzte Logan an, doch sie war noch nicht fertig.
»Diese verdorbene kleine Schlampe hat ihn uns weggenommen und lässt uns nicht zu ihm! Er ist mein Enkelkind, und ich darf ihn nicht sehen! Was ist denn das für eine Mutter, die so was tut? Was ist das für eine Mutter, die ein Kind nicht zu seinem eigenen Vater lässt? Sie verdient es nicht, ihn bei sich zu haben!«
»Wo ist er?«, fragte Logan.
»Wehe, du sagst es ihm, Darren!«
Darren deutete auf das kleinere der beiden Schlafzimmer, dessen Tür hinter dem Rücken der Polizistin teilweise zu sehen war. »Er ist gerade eben eingeschlafen«, sagte er so leise, dass Logan ihn kaum verstehen konnte.
Die Polizistin wies mit einer Kopfbewegung auf das Schlafzimmer, und Logan nickte. Sie ging hinein und kam kurz darauf mit einem verschlafen aussehenden kleinen Jungen zurück, der in einem blau-gelb karierten Schlafanzug steckte. Er gähnte und schaute sich blinzelnd unter den vielen fremden Leuten im Wohnzimmer
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