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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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konnte. Es waren Männer zwischen fünfzig und sechzig, die eine Pariser Karriere verpasst hatten und sich ihre Anerkennung nun ein paar Etagen tiefer holen mussten, sie bestanden darauf, von den Kellnern stets mit Namen und Titeln begrüßt zu werden. Jetzt legten sie sich papierne Servietten auf den Schoß, in sichtlicher Vorfreude auf ein gemeinsames Mahl und vor allem auf eine Flasche Wein.
    Durch die Fenster sah Kirchner jetzt ein hübsches Mädchen, das schnellen Schrittes auf die Bar des Sports zuhielt. Aus ihrer Aufmachung und aus der Situation schloss er, dass es Evelyne sein musste, und er wollte schon aufstehen, um sie beim Eintritt an seinen Tisch zu lotsen – als er auf dem Platz draußen plötzlich seine vier Bekannten aus dem Hotel sah, die sich der Frau schnell näherten.
    Die Geheimpolizisten im Einsatz hatten nach den Schlipsen auch die Sakkos abgelegt und hielten die junge Frau auf der Straße an. Kirchner beobachtete, wie Evelyne – er war nun sicher, dass sie es war – ihnen mit Worten und Gesten zu verstehen gab, dass sie eine Verabredung hatte. Sie redete und zeigte Richtung Bar des Sports , sie schüttelte den Kopf und versuchte, die Männer loszuwerden, aber es schien, als wollten die Polizisten sie nicht gehen lassen.
    Kirchner entschied sich einzugreifen.
    Er lief hinaus und war nach wenigen Schritten bei dem kleinen Menschenauflauf auf dem Marktplatz von Andernos.
    Er sagte, ins Blaue und an die Frau gerichtet: »Evelyne, ist alles in Ordnung?«
    Sie machte eine hilflose Geste, die sich auf die vier Männer bezog, mit denen sie unfreiwillig hier zusammenstand, aber auch auf ihn, den sie ja noch gar nicht kannte.
    »Monsieur!?«, sagte einer der vier, mutmaßlich der diensthabende Offizier. Er sprach die kurze Anrede in einem herrischen, missbilligenden Ton aus, so als wolle er Kirchner von vorneherein klarmachen, dass er hier nichts verloren hätte.
    »Ich bin mit dieser Dame verabredet«, sagte Kirchner. »Und was ist Ihr Anliegen?«
    Der Chef der kleinen Truppe, noch muskulöser als der Rest des Quartetts, hatte die Augen eines Huskys und einen militärischen Bürstenhaarschnitt. Er antwortete Kirchner erst gar nicht. Stattdessen gab er seinen Kollegen mit Blicken zu verstehen, dass die junge Frau ihnen gehörte, fasste Evelyne am Arm und sagte: »Kommen Sie, wir gehen.«
    »Moment«, sagte Kirchner mit Empörung in der Stimme, »was heißt hier: ›Wir gehen‹? Das ist meine Verabredung …«, aber bevor er weiterreden konnte, spürte er schon den festen Griff eines der Polizisten um seinen Oberarm. »Sagen Sie mal, ich träume wohl? Was geht denn hier vor? Mit welchem Recht …?«
    Der Mann mit den Husky-Augen ließ von Evelyne ab, überließ sie den drei anderen und ging frontal und aggressiv auf Kirchner zu, sodass dieser ein paar Schritte zurückweichen musste.
    »Musst hier nicht den Helden spielen, Junge«, knurrte er leise und dicht vor Kirchners Gesicht, »hier läuft eine polizeiliche Ermittlung, also halt einfach die Klappe und zieh Leine.«
    »Den Teufel werde ich tun«, gab Kirchner ebenso leise und scharf zurück, »du, Junge, zeigst mir jetzt deinen Dienstausweis, sonst mache ich hier einen Skandal, so groß, dass deine Operation hier morgen in allen Zeitungen steht.«
    Vor Kirchners Augen wog der Polizist seine Optionen ab und war augenscheinlich kurz darüber im Unklaren, was er als Nächstes zu tun hätte und ob er gegen Kirchner einfach handgreiflich werden sollte. Er fasste sich aber schließlich in die Hosentasche, zog seine Dienstkarte hervor und wedelte damit vor Kirchners Nase herum.
    Lanières , las Kirchner, Colonel .
    »Und weshalb führen Sie diese Frau hier ab?«, fragte er.
    »Sie ist eine wichtige Zeugin«, sagte sein Gegenüber, »und jetzt sieh zu, dass du dich vom Acker machst, sonst buchte ich dich ein wegen Behinderung der Staatsgewalt.«
    Kirchner machte sich von dem Mann los, dieses Spiel war fürs Erste verloren.
    Er ging ein paar Schritte auf Evelyne zu, ignorierte die vier Polizisten und sagte: »Evelyne, da kann man nichts machen, scheint’s, ich melde mich später – oder noch besser: Melden Sie sich bei mir. Moreau hat meine Nummer. Es ist wirklich ein Unding!«
    Die junge Frau nickte ihm zu, versuchte sogar ein unsicheres Lächeln. Dann ging sie in Begleitung der vier Polizisten davon, wandte sich noch einmal zu Kirchner um und hob den Arm zu einem kleinen Winken.
    Kirchner steckte sich eine Rothmans an, sah der seltsamen Gruppe nach,

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