Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
Vom Netzwerk:
Schwiegersohn mit tiefer Stimme und zeigte auf die Flaschen auf dem Tisch.
    Der alte Moreau warf ein: »Sagen Sie nichts! Der Herr aus Paris trinkt Pastis.«
    Man sprach über Rugby und die Niederlagen der Fußballer, der Kapitän der Equipe tricolore hatte zum Unverständnis der meisten Fans seinen Rücktritt erklärt. Kirchner setzte sich und hörte eine Zeit lang erst nur zu.
    Dann wandte er sich an Evelyne und fragte, wie es ihr am Mittag weiter ergangen sei. »Ich wusste wirklich nicht, wie ich Sie aus den Händen dieser Leute befreien sollte«, sagte er.
    Evelyne lächelte wie jemand, der nicht häufig ein gutes Wort hörte. Sie erblühte förmlich unter Kirchners Ansprache.
    »Es war dann gar nicht so schlimm«, sagte sie. »Die haben nur ein paar Fragen gestellt.«
    Sie war ein bescheidenes Mädchen, vielleicht Anfang zwanzig, auffällig hübsch, auffällig schüchtern, sie setzte das Gespräch nicht fort, sondern verstummte gleich wieder. Sie gehörte zu den Frauen, die in Männern Beschützerinstinkte weckten, aber auch immer Gefahr liefen, die herrischen, dominanten Typen anzuziehen. Kirchner hatte Lacombe nie kennengelernt, aber er konnte sich leicht vorstellen, dass sich in seinem und Evelynes Fall eher die Gegensätze angezogen hatten und sie bei der ganzen Sache den eindeutig unterlegenen Part gespielt hatte.
    Die anderen am Tisch verfolgten aufmerksam jedes Wort, jede Geste Kirchners, selbst wenn sie so taten, als redeten sie untereinander und achteten gar nicht weiter auf ihn.
    Er stand, wie immer, vor dem Problem, sich in möglichst kurzer Zeit von einem Fremden in einen Bekannten zu verwandeln, er musste das Vertrauen der Anwesenden rasch gewinnen. Manchmal kam er sich bei seiner Arbeit wie die Tierfilmer vor, die die meiste Energie darauf verwenden müssen, von ihren scheuen Objekten einfach vergessen und als selbstverständlicher Teil ihrer Welt akzeptiert zu werden.
    Moreaus Tochter kam ihm am offensten vor. Deshalb wandte er sich mit einer harmlosen Frage an sie: »Verraten Sie mir, was Sie Gutes kochen? Es riecht schon wunderbar!«
    Nadine Dufaut nahm die Frage dankbar auf. Sie erzählte, bei einem Metzger eine Kalbsnuss aus dem Limousin gefunden zu haben, die schon seit einer ganzen Weile mit Gemüse und Oliven im Ofen schmorte.
    »Ich gebe dann am Schluss Zitronenschale und viel Petersilie dazu«, sagte sie, und Kirchner nickte anerkennend.
    »Sie werden auch das Kartoffelpüree meiner Tochter kennenlernen«, sagte der stolze Vater, »das werden Sie nicht vergessen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
    Auf dem Tisch standen schon kleine Happen zum Aperitif, die Köchin hatte geröstetes Brot teils mit grüner Tapenade, teils mit einer Geflügelleberfarce bestrichen.
    Kirchner griff begeistert zu und fragte, wie sie die Leber gemacht hatte.
    So vergingen die ersten zwanzig Minuten, und alle fühlten sich fürs Erste schon ein wenig wohler.
    »Sie haben heute früh meinen Vater gesehen, oder?«, fragte der junge Decayeux.
    Diesen Moment hatte Kirchner gefürchtet, seit er wusste, dass der Sohn des cholerischen Vizebürgermeisters hier war. Andererseits war er froh, die Begegnung nicht selbst ansprechen zu müssen, und auch darüber, dass die Sache jetzt gleich auf den Tisch kam.
    »Die Sekretärin sagt, man hätte das Schreien mal wieder bis auf die Straße gehört«, sagte Decayeux’ Sohn und schaute dabei Beifall heischend in die Runde. Er gab diesem überraschenden Einleitungssatz eine weitere unerwartete Wendung, indem er sagte: »Machen Sie sich nichts draus, mein Vater ist so. Jeder, der ihn kennt, weiß das.«
    Kirchner lachte erleichtert, und das war noch nicht einmal gespielt. »Ja, also, es war eine eindrucksvolle Begegnung, das kann man sagen.«
    Aus den Reaktionen der Anwesenden konnte er lesen, dass sich tatsächlich niemand etwas dabei dachte, wenn von Brüllereien des alten Decayeux die Rede war. Kirchner hatte sogar den Eindruck, als wäre diese Runde insgeheim gegen den aufbrausenden Austernfunktionär verschworen, der Sohn eingeschlossen. Es schien, als spräche es eher für ihn, den Fremden, dass er sich im Rathaus eine Abfuhr eingehandelt hatte.
    »Ging bestimmt um Nautilus , wie?«, sagte Decayeux’ Sohn. »Das ist ein ganz heißes Eisen hier, haben sich schon ganz andere die Finger dran verbrannt.« Bei diesen Worten wechselte er ernste Blicke mit Guillaume.
    Nadine Dufaut war schon vor einiger Zeit in der Küche verschwunden und rief nun die Gäste zu Tisch.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher