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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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und dann wieder getrennte Wege. Aber dann waren die beiden auf einmal über Monate zusammen, ganz unzertrennlich.«
    Nadine nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas. Die beiden Männer schwiegen, nervös, so als hörten sie ihre eigene Geschichte zum ersten Mal.
    »Wollen wir sie nicht dazuholen, ich meine, Evelyne?«, fragte Kirchner.
    Nadine machte eine abwehrende Kopfbewegung. »Sie hat so viel durchmachen müssen.«
    Auch die beiden Männer machten keine Anstalten, auf Kirchners Frage einzugehen.
    Sie blieben zu viert hier draußen sitzen.
    »Wir haben Julien, also Lacombe, wir haben ihm gesagt, die Sache muss aufhören. Ich erinnere mich noch, wie Guillaume ihm einmal gesagt hat, ganz klar: ›Julien, Mensch, du hast Frau und Kinder, meine Schwester ist noch jung, lass sie in Ruhe.‹ Aber er hörte ja nicht, der Minister, er war bis über beide Ohren verliebt, und Evelyne war es auch, oder sie fühlte sich geschmeichelt, von so einem hohen Herren Schokolade und Blumen geschickt zu bekommen. Ich meine, ihr Friseursalon in Andernos sah manchmal aus wie ein Blumengeschäft, das hätten Sie mal sehen sollen, es gab so viel Gerede deswegen. Und wenn dann noch die Minister-Limousine vorgefahren ist, um sie zu den Rendezvous abzuholen! Aber Evelyne hat immer nur gesagt: ›Lasst mich in Ruhe, es ist mein Leben, und ich mache damit, was ich will. Ihr seid doch nur neidisch, aber jetzt geht’s mir mal gut, und ich genieße es.‹«
    Kirchner zog die letzten drei Rothmans aus der Schachtel, verteilte sie und gab den Männern Feuer.
    Im flackernden Licht sah er Guillaumes tiefliegende Augen, in denen er Angst erkannte. Der junge Mann war blass und sah aus, als hätte er seit Längerem nicht mehr viel geschlafen.
    Decayeux schien dagegen viel abgebrühter. Er war ein Typ mit sehr klaren Vorstellungen von der Welt – darin ähnelte er seinem Vater doch –, er fühlte sich, was immer er getan hatte, im Recht, er würde nicht klein beigeben, er würde seine Sache durchziehen.
    Nadine konnte plötzlich ein Weinen nicht mehr unterdrücken. Sie brach in Tränen aus, stellte das Weinglas fahrig auf dem Tisch ab und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    »Sogar meinen Vater haben wir aus seinem Haus vertrieben«, schluchzte sie, »und haben ihn hierher verpflanzt. Wir waren so dumm, ach, so dumm.«
    Ihr Mann rauchte weiter, noch ein wenig nervöser als vorher. Er machte aber keinen Versuch, sie zu trösten, woraus Kirchner schloss, dass er sie stumm für alles verantwortlich machte.
    Guillaume Dufaut selbst war augenscheinlich kein Mann, der komplizierte Pläne hätte schmieden können, sondern ein Phlegmatiker, eine Provinzfigur wie aus einem Flaubert-Roman. Nadine, die schnelle, kleine Frau, die als Köchin gefallen wollte, die überhaupt gefallen wollte, war die treibende Kraft, daran konnte kein großer Zweifel bestehen. Nautilus war ihre Chance, über Arcachon und die kleine Welt der Fischer hinauszuwachsen.
    Aber was hat sie, was haben diese drei hier mit dem toten Finanzminister zu tun?
    »Im Juni vor einem Jahr«, fuhr Nadine fort, nachdem sie sich leidlich gefasst hatte, »hatte ich Evelyne aufgelöst mitten in der Nacht am Telefon. Dass sie schwanger war, wusste ich da schon seit Längerem, das konnte es also nicht sein. Sie war ja sogar glücklich darüber, ein Kind zu bekommen, ein Ministerkind, wie sie selber sagte, jung und dämlich, wie sie war. Also, in der Nacht damals – da war Evelyne in der siebten, achten Woche schwanger – hatte Lacombe sie zu einem Fest mitgenommen, drüben in Le Canon. Er hatte ihr gesagt, er hätte eine kleine Überraschung, und sie freute sich auf den Abend, denn Julien, also Lacombe, hatte oft die verrücktesten Ideen. Einmal hat er sie mit verbundenen Augen zum Flughafen in Bordeaux gefahren und ihr die Binde erst abgenommen, als sie in einem Privatflugzeug nach Marrakesch saßen. Das muss man sich vorstellen, Marrakesch!«, sagte Nadine Dufaut, und an der Art, wie sie es sagte, hätte man meinen können, dass ein wenig Neid durchschimmerte. »Sie kamen also in Le Canon an, und eine der großen Hütten direkt am Wasser war im Innern für ein Fest geschmückt. Nur waren gar nicht viele Leute da, wie sonst immer, wenn Nautilus feierte. Das fand Evelyne gleich komisch, dachte sich aber nichts weiter dabei. Vielleicht zehn Paare waren da, einschließlich Evelyne und Lacombe, zwei andere Minister aus Paris noch, der Präfekt von Bordeaux war dabei, dieser fette Sack, und als sie gegessen

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