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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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einer von der Sicherheit fragt, wo Sie hinwollen, dann sagen Sie Armagnac , das haben die uns als Codewort gegeben für alle Küchenmitarbeiter. Anders kommen Sie hier nicht rein, verstanden? Armagnac . Und jetzt Beeilung! Wir sind schon mittendrin!«

IX.
    D as Navigationsgerät brachte Kirchner hintenran ans Haus, er hätte den Weg ohne Hilfe nicht gefunden. Es ging über schmale Wege zwischen prächtigen Gärten, hinter deren Laubwerk sich Herrenhäuser mit Fachwerkfassaden versteckten, deren Fenster in der Dämmerung leuchteten wie die Türchen von Adventskalendern im Gegenlicht.
    Am Hintereingang des Restaurants standen die Autos von Lasserres Mitarbeitern auf eine steile Böschung geparkt, Kirchners Auto war das größte unter lauter Kleinwagen.
    Die Küche lag im Souterrain des breiten Gebäudes, an der Tür sah Kirchner zwei Gestalten in Anzügen herumlungern, kleine Spiraldrähte im Ohr. Das war die Security, immerhin würden eine Etage höher bald einige Minister speisen. Ihre Beschützer hatten schon geschäftig die Köpfe gewiegt, als Kirchners Scheinwerfer vor ihnen aufgetaucht waren.
    Nun stellten sie sich breit in den Weg zwischen Parkplatz und Küche, musterten Kirchner mit schnellen Blicken, sagten »Bonsoir« und warteten offenkundig auf die Parole.
    »Bonsoir«, sagte Kirchner. » Armagnac .«
    Die Bodyguards nickten, traten zur Seite. Kirchner verzog keine Miene und ging zwischen beiden durch wie durch ein Spalier.
    »Was gibt’s eigentlich zu essen?«, fragte einer der beiden hinter ihm her.
    Kirchner erschrak kurz, dann sagte er: »Das ist eine Überraschung, aber es hat mit Fisch und Fleisch zu tun.«
    Als er das Haus betrat, hörte er schon den Lärm des großen Kochens, es war Musik in seinen Ohren. Die Küche war durch eine Art Schleuse vom Rest der Welt getrennt. Der Raum, den Kirchner im Haus als Erstes betrat, glich der Umkleidekabine in den Katakomben eines Sportstadions; die Köche und ihre Helfer zogen sich hier um und legten ihre Arbeitskleidung an.
    Kirchner griff sich eine herrenlose Kochjacke und zog eine der Papierhauben mit Gummizug über die Haare. Dann ging er die zehn Schritte zu einer Schwingtür, drückte sie auf und tauchte ein in die Hitze und das scheppernde Hallo einer Küchenbrigade, die gerade einen kleinen Krieg zu bestehen hatte.
    Lasserre stand an der Ausgabe vorne in Clogs wie ein zu kurz geratener Leuchtturm. Er rief die Amuses bouches ab, seine Souschefs richteten die ersten Teller an, das Menü für die neunzig Festgäste eine Etage höher würde jeden Augenblick beginnen.
    Der Koch servierte als Auftakt einen kalten Gurkenschaum, gewürzt mit Kürbiskernöl, in dem ein Stück ausgelöste Hummerschere steckte wie eine Fahne.
    »Antoine! Na bitte!«, rief Lasserre durch die ganze Küche und fügte dann an alle in der Küche gewandt hinzu: »Hört mal zu, Leute, das ist Antoine. Er wird uns heute Abend hier helfen, behandelt ihn gut, er ist ein Normanne, gebt ihm was zu schneiden, aber lasst ihn nicht an die Sahne.«
    Die Mannschaft lachte. Die Leute nickten Kirchner aufmunternd zu und nahmen eine Sekunde später ihre Arbeit wieder auf. Es war ein schnelles, wirres Ballett, in dem jede Hand wusste, was sie zu tun hatte, und jeder Fehlgriff alles durcheinander brachte.
    Kirchner fand sich neben dem Entremetier wieder, zuständig für die Beilagen, der ihm aufgab, Salatblätter in perfekte Rauten zu schneiden und Weintrauben so zu entkernen, dass von den Früchten zwei möglichst perfekte Hälften blieben. Die Arbeit fiel ihm nicht weiter schwer. Er war nicht so schnell wie die Köche, bei Weitem nicht, aber seine Arbeitsergebnisse waren nicht viel schlechter als ihre.
    »Wo hast du gelernt?«, fragte der Koch.
    Kirchner freute sich sehr über diese Frage.
    »Bei der Schülerzeitung«, antwortete er. »Ich bin kein Koch. Ich bin nur Amateur.«
    »Alle Achtung«, lobte ihn der Entremetier, »alle Achtung!«
    Das sechsgängige Festmenü bestand aus einem Salat aus frischen grünen Bohnen mit sirupdickem Balsamico-Essig und schwarzen Périgord-Trüffeln. Darauf folgte ein Gratin, für das Lasserre seine Leute säckeweise Krebse am Strand hatte sammeln lassen. Anschließend servierte er eine Chartreuse aus Weintrauben und Gänsestopfleber, ein kunstvoll geschichtetes Türmchen, das durch einen Hauch Szechuanpfeffer seine unverwechselbare Note erhielt. Der Hauptgang war Kalbsnüsschen auf einer Estragonreduktion, einer Soße, für die der Koch kartonweise besten

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