Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Leistungsvoraussetzungen, des Begriffes, den ich favorisiere, ist die Körpergröße aber für zumindest bestimmte Sportarten klar einmal von Vorteil und ein anderes Mal von Nachteil. Was sagen wir einem 200 Zentimeter großen Mädchen, das die beste Bodenturnerin der Welt werden möchte? Ja, es soll unbedingt Bodenturnen, wenn es ihm Spaß macht. Und das Mädchen wird mit dem entsprechenden Enthusiasmus sehr vieles erreichen können, gar keine Frage. Aber ist es fair, ihm zu verheimlichen, dass die weltbesten Bodenturnerinnen niemals 200 Zentimeter groß waren und dass es dafür nachvollziehbare Gründe gibt?
Das Sportlergenom?
„Als sportliches Talent kann eine Person bezeichnet werden, die über vorwiegend genetisch bedingte Dispositionen zum Erreichen von hohen sportlichen Leistungen verfügt, die Bereitschaft mitbringt, solche Leistungen auch zu vollbringen, die Möglichkeit dafür in der sozialen Umwelt vorfindet und letztlich mit den erzielten Leistungsresultaten den Eignungsnachweis dokumentiert“ , kann man beim Sportwissenschaftler Prof. Winfried Joch („Das sportliche Talent“) nachlesen. Aber kennt die Wissenschaft genetische Anlagen in diesem Zusammenhang? Welche unserer 22.500 Gene könnten hier von Relevanz sein? In der Tat kennt man heute eine Vielzahl von Genen des Menschen, die klar etwas mit Sportlichkeit (oft im weitesten Sinn) zu tun haben. Wobei ich hier jetzt solche meine, die in direktem Zusammenhang mit bestimmten körperlichen Merkmalen des Menschen stehen. Ein Topsportler benötigt natürlich viel mehr als das. Wir haben von Persönlichkeitsmerkmalen, wie etwa Motivierbarkeit oder Nervenstärke, gesprochen. Und auch dort, so der aktuelle Stand der Wissenschaft, spielen Gene eine entscheidende Rolle.
Biologische, körperliche Merkmale, die beim Sport eine gewichtige Rolle spielen, sind neben der bereits angesprochenen Körpergröße etwa die Arm- und Beinlänge, die Struktur des Muskelaufbaus, die Herzgröße, das Lungenvolumen, die Beweglichkeit der Gelenke – um nur ein paar wenige zu nennen. Man muss bei sportrelevanten körperlichen Anlagen stets die statischen, durch Training nicht beeinflussbaren (wie etwa Körpergröße) von solchen unterscheiden, die vom Training beeinflusst werden. Bei Letzterem interessiert sich die Sportwissenschaft vor allem dafür, wieso sich bei verschiedenen Menschen unter gleichem Training verschiedene körperliche Merkmale (wie etwa Muskelmasse) einstellen. Das Gen, das in unserem Körper in ein Protein mit dem Namen Mechano Growth Factor (MGF) übersetzt wird, ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Muskelzellen wachsen, wenn die Muskeln in hartem Training aufgebaut werden sollen. Ich erinnere an dieser Stelle noch einmal daran: Jeder Mensch hat jedes Gen, sogar zweimal, einmal vom Vater und einmal von der Mutter. Aber jeder besitzt seine individuellen Varianten davon. So verfügt auch jeder Mensch über zwei Varianten des ACTN3-Gens. Das von diesem Gen codierte Protein Alpha-Actinin 3 ist von großer Bedeutung für unsere Muskelfunktion vor allem im Sinne der Kontraktionsleistungen. Es gibt zwei wichtige Varianten des ACTN3-Gens, die Variante X und die Variante R. Ein Mensch kann also zwei X-Genvarianten haben, zwei R oder ein R und ein X.
Die Sportwissenschaften gemeinsam mit der Genetik haben in vielen Studien herausgefunden, dass diese drei Möglichkeiten jenes Muskel-Gens Vorteile für ganz verschiedene Sportarten bieten. So wird die XX-Kombination vorwiegend bei Spitzensportlern im Ausdauerbereich gefunden (Triathlon, lange Schwimmbewerbe oder Skilanglauf). Die RR-Genvariantenkombination führt zu einer Muskulatur, die ideal für Sprint- und Kraftsportarten ist und wird daher sehr häufig bei Sprintern, Rugbyspielern oder Gewichthebern gefunden. Die RX-Kombination zeichnet sehr oft Sportler aus, die Sprint- und Krafteigenschaften genauso wie Ausdauereigenschaften benötigen (Fußball, Handball, Tennis oder Basketball). Ich werde Sie im Kapitel „Talente entdecken und fördern“ an all das noch einmal erinnern, wenn ich mich über Sinn und Unsinn von entsprechenden Gentests äußere.
Menschen mit bestimmten Varianten des Myostatin-Gens weisen einen viel schnelleren und stärkeren Muskelaufbau auf als andere. Das Myostatin-Gen, oder besser gesagt das von ihm codierte Protein Myostatin, spielt nämlich ein maßgebende Rolle für die Muskelentwicklung, indem es den Muskelabbau reguliert. Die Liste an Genen, die die körperlichen
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