Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
rasch von Ewan übernommen hatte. Gemeinsam
liefen sie durch die Halle und hinauf zu den Kinderstuben.
Donny
und Darlas Kinder schliefen bereits tief; Joan beließ es daher, ihrem kleinen
Sohn einen vorsichtigen Kuss auf die Nasenspitze zu geben. Dann wandte sie sich
May zu, deren Gesichtchen im flackernden Schein der Kerze spitz und hohl aussah.
Die
Kleine schlug die Augen auf; ihr Blick war fiebrig, dennoch erkannte sie ihre
Mutter und schlang wortlos ihre dünnen Ärmchen um Joans Hals.
„Bald
bist du wieder gesund, mein Schätzchen“, wisperte Joan mit Tränen in den Augen.
„Wo
bist du gewesen, Mutter?“, kam es heiser aus der Kinderkehle. „Ich habe dich
vermisst.“
Joan
wand sich an Màiri und bat sie, den hellblauen Krankenhauskittel zu entrollen.
„In den Seitentaschen befinden sich die Tabletten.“
Staunend
fischte Màiri eines der Tablettenkärtchen hervor und drehte es in ihren Händen.
„Und diese winzigen Pillen sollen May wieder gesund machen?“
„Ja,
so Gott will.“
Leise
war nun auch Marion ins Zimmer getreten, in der Hand trug sie ein gefülltest
Wasserglas.
Mit
bebenden Fingern löste Joan eine der kleinen Tabletten aus dem Kärtchen und
half May, sich aufzusetzen. Skeptisch betrachtete das Mädchen die unscheinbare
Tablette, dann verzog sie das Gesicht und sagte mit schwacher Stimme: „Ich
möchte lieber etwas von Tante Màiris Honigsirup trinken, der schmeckt bestimmt
besser.“
Die
drei Frauen schmunzelten, und schließlich öffnete May zögernd den Mund, damit
ihre Mutter ihr den winzigen weißen Taler auf die Zunge legen konnte.
„Trink
das Wasser, mein Kleines“, bat Marion sanft. „Damit rutscht die Medizin
besser.“
Gehorsam,
jedoch mit zusammengekniffenen Augen tat May, wie ihr geheißen, dann sank sie
erschöpft in die Kissen und schlief auf der Stelle wieder ein.
Marion
bot an, den Schlaf des Kindes zu überwachen, damit Joan und Màiri zu den
anderen gehen konnten.
Robin
und Ewan hatten den Laird in seinem Lieblingsraum, der Bibliothek, vorgefunden,
und auch wenn er es nicht gezeigt hatte, so sah man ihm doch überdeutlich an,
wie glücklich er darüber war, Sohn und Schwiegertochter unversehrt
zurückbekommen zu haben.
Als
Joan und Màiri die Bibliothek betraten, schilderte Ewan seinem Vater gerade die
Eindrücke, die die kurze Zeitreise in ihm hinterlassen hatten.
„Niemals
würde ich dort leben wollen, Athair !“, rief er inbrünstig. „Die
selbsttätigen Maschinen dort haben mir große Angst gemacht, und wenn sich
Seonag nicht geirrt hat, geht das ganze Land in der Zukunft jämmerlich
zugrunde.“
„Das
kann ich bestätigen“, warf Joan ein und setzte sich auf die Armlehne von Ewans
Sessel, wo sie sogleich von ihrem Mann liebevoll umfangen wurde. „Du würdest
Edinburgh nicht wiedererkennen.“
„Ich
war erst einmal in meinem Leben dort“, brummte Dòmhnall. „Das war damals, als
alle Lairds gezwungen wurden, George I diesen lächerlichen Treueeid zu
schwören. Sag Nighean, wie geht es meinem Enkeltöchterchen, nachdem du
ihm diese Medizin aus der Zukunft verabreicht hast?“
„Sie
schläft jetzt, Mutter wacht bei ihr. Wir alle hoffen, dass unsere Zeitreise
nicht umsonst war.“
Bedächtig
wiegte der Laird sein mächtiges Haupt. „Wir werden alle für May beten – mehr
können wir jetzt nicht mehr für sie tun.“ Er wandte sich an Robin. „Nun, mein
guter Freund, habt Ihr die Informationen erhalten, um die Ihr meine Schwiegertochter
gebeten habt?“
„Allerdings,
Sir, sie sind sehr umfangreich, sodass ich einige Tage brauche, um sie
durchzulesen. Immerhin werden wir auf den Tag genau erfahren, wann Bonnie
Prince Charles’ Füße schottischen Boden erreichen und an welchem Tag genau die
Schlacht bei Culloden stattfinden wird; das habe ich bereits bei einer ersten
flüchtigen Durchsicht der Unterlagen erfahren.“
Nachdenklich
strich Dòmhnall über seinen eisgrauen Vollbart. „Das ist sehr erfreulich ...
nur ... was nützt uns das?“
„Genau
weiß ich das noch nicht, aber allmählich beginnt sich in meinem Kopf eine Idee
festzusetzen, über die ich allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht sprechen möchte,
Sir.“
Obwohl
der Laird vor Neugierde kaum an sich halten konnte, nickte er verständnisvoll.
„Lasst Euch Zeit, mein Freund. Mir ist inzwischen klar, dass wir den Aufstand
und das Endergebnis nicht verhindern können und dass es vermutlich wenig Zweck haben
würde, den Prinzen zum Teufel zu schicken, aber ich bin
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