Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
Vorwurfsvoll wurde Joan von ihrem
inzwischen dreizehnjährigem Sohn angesehen. „Ich bin kein Kind mehr!“
Nach
dem Besuch des Prinzen war alles ganz schnell gegangen. Die Clanführer, die
sich am Aufstand beteiligen wollten – und das waren nicht wenige – hatten in
aller Weile alle Männer ihrer Clans zusammengerufen und rekrutiert. Es musste
nicht nach Freiwilligen gesucht werden; jeder Mann im Erwachsenenalter konnte
es kaum erwarten, gegen die verhassten Engländer zu kämpfen. Zudem hatten sie
einst ihren Lairds den Treueeid geschworen, um an deren Seite zu kämpfen; dafür
durften sie auf den Ländereien der Oberhäupter leben.
„Aber
erwachsen bist du auch noch nicht.“ Joan blieb unerbittlich. „Du wirst schön
bei deinen Großeltern bleiben und auf deine Schwester und deine Cousine
aufpassen.“
Donny
schnitt eine verächtliche Grimasse. „May und Ealasaid sind alt genug, um auf
sich selbst aufzupassen. Außerdem – was sollte ihnen auf Glenbharr Castle schon
passieren?“
Ungerührt
stapelte Joan weiterhin ausrangierte Bettlaken aufeinander, die sie mitnehmen
wollte. Daraus sollten Leinenbinden geschnitten werden, falls es zu schweren
Verletzungen während des Feldzuges kommen sollte. Die Medikamente, die Joan von
ihrer letzten Zeitreise mitgenommen hatte, waren bereits in einem Beutel
verstaut, den niemand zu sehen bekommen sollte – außer natürlich Màiri, die
selbst ihren Anteil an Antibiotika beisteuern würde.
„Andra
und Klein-Ewan dürfen auch gegen die Sasannach kämpfen“, fuhr Donny
fort. Für sein Alter war er recht groß und kräftiggebaut; dennoch waren
seine Gesichtszüge noch weich und kindlich.
Nur
kurz schaute Joan von ihrer Tätigkeit auf. „Deine beiden Vettern sind
erwachsene Männer. Frag Tante Màiri, ob sie ihren großen Söhnen erlauben würde,
am Feldzug teilzunehmen, wenn sie noch in deinem Alter wären.“
Doch
so schnell gab sich Donny nicht geschlagen – die Beharrlichkeit hatte er
eindeutig von seinem Vater geerbt. Aber Joan blieb hart; es war schlimm genug,
Angst um Ewan haben zu müssen.
*
„Dreitausend
Mann umfasst die schottische Armee derzeit“, sagte Robin. „Doch sie wird auf
über fünftausend Soldaten ansteigen; so sagt es die Geschichte.“
Dòmhnall
nickte ernst. „Der junge Stuart hat ganze Arbeit geleistet mit seinen
Überredungskünsten. Doch warum wird er vor London kehrtmachen anstatt die Stadt
einzunehmen?“
„Darüber
wird man sich später nicht einig sein. Wahrscheinlich bekommt er Angst vor
einer Niederlage, dabei werden die Karten für ihn günstig liegen. Der englische
König wird in dieser Zeit bereits unsicher sein, zumal man ihm
fälschlicherweise sagen wird, dass zehntausend Söldner aus Frankreich unterwegs
seien.“
Die
beiden Männer saßen wie üblich in der Bibliothek und warteten auf Ewan und
Mìcheal sowie deren Frauen. Noch an diesem Tag wollten sie losziehen, es war
der 8. September im Jahre des Herrn 1745.
Marion
schlich nur noch mit rot geweinten Augen durch die Burg. Natürlich sahen auch
Darla und Edens Frau Lenya bedrückt aus, denn sie mussten ebenfalls damit
rechnen, dass sie ihre Männer nicht wiedersehen würden.
Und
dann traten sie ein, mit feierlichen Mienen. Ewan und Mìcheal trugen einfache
Plaids und endlich wieder ganz offen ihre Breitschwerter am Gürtel. Die Schilde
mit den Wappen der MacLaughlins und MacGannors waren bereits in dem Wagen untergebracht,
der überdacht war und von Joan und Màiri gelenkt werden sollte.
„Wir
sind bereit, Vater.“ Ewan trat einen Schritt vor. „Vor den Toren von Glenbharr
Castle haben sich unsere und Crìsdeans Männer versammelt.“
Marion
schluchzte unterdrückt, sagte jedoch nichts.
Dem
Laird standen ebenfalls Tränen in den Augen, die er jedoch zu verbergen
versuchte, indem er vorgab, etwas ins Auge bekommen zu haben.
„Aye,
nun ist es also so weit“, sagte er, und seine Stimme klang noch rauer als gewöhnlich.
„Passt auf eure Frauen auf, die auf dem Feldzug eigentlich nichts verloren
haben. Mìcheal, gib Acht auf deine beiden Stiefsöhne, ich möchte meine Enkel
gesund zurück bekommen.“
Als
Marion erneut aufschluchzte, ging Joan zu ihr und nahm sie fest in die Arme.
„Weine nicht, Mutter. Wir werden vollzählig zurückkommen, spätestens in ...“
Den Rest des Satzes verschluckte sie, da nun auch Peader, Eden sowie Andra und
Klein-Ewan die Bibliothek gekommen waren.
Es
war feierlich still in dem großen hohen Raum, sogar Marion weinte
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