Die Eifelgraefin
Sie blieb in einiger Entfernung von ihm stehen, denn der Anblick der Brandnarben auf seinen Händen erschreckte sie nach wie vor.
Martin wandte sich zu ihr um und lächelte dann. «Jungfer Luzia Bongert, nicht wahr? Welch eine Freude, Euchwiederzusehen. Und um auf Eure Frage zu antworten: Ich bin hier auf Bitten meines guten Freundes, Johann von Manten. Wir, um genau zu sein.» Er blickte auf seinen Begleiter, einen kleinen hageren Mann, der in einen auffälligen blauen Wollmantel gekleidet war. «Jungfer Luzia, dies ist Magister Pierre van Thelen. Pierre, dies ist Luzia Bongert.»
«Erfreut.» Van Thelen verbeugte sich knapp, hielt sich jedoch weiterhin im Hintergrund.
In Luzia stieg eine leichte Verlegenheit hoch. Ihre Maskerade gegenüber Martin Wied würde, wenn sie nicht aufpasste, Kreise ziehen, und das war sicherlich nicht gut für sie. Doch Martins Antwort hatte sie neugierig gemacht, deshalb ignorierte sie ihr Unbehagen und trat doch näher an den Kaufmann heran. «Was hat Herr Johann vor?», fragte sie leise. «Meine Herrin ist sehr aufgebracht, seit er gestern hier eintraf.»
Martin lächelte breit. «Das kann nur bedeuten, dass er sich an unseren Plan gehalten hat. Sehr gut.» Er nickte kurz in van Thelens Richtung, dieser zeigte jedoch keinerlei Regung.
«Was für ein Plan?», wollte Luzia sofort wissen. «Und was habt Ihr damit zu tun?»
Martin lächelte breit. «Das werdet Ihr alsbald …» Er brach ab und blickte sich alarmiert um. «Wer schreit da?»
Auch Luzia war zusammengefahren, als sie den entsetzten Schrei einer Frau vernahm. Dann laute Hilferufe. «Das ist Frau Bernadette!», rief sie erschrocken und rannte mit gerafften Röcken zum Palas. Martin und van Thelen folgten ihr auf dem Fuße.
So schnell sie konnte, erklomm Luzia die Treppe zu den Wohnräumen. Als sie die Kemenate erreichte, blieb sie erschrocken stehen und starrte auf die beiden Soldaten, die die Gräfin an den Armen festhielten. Frau Bernadette weinte und rief wieder und wieder Elisabeths Namen.
«Was geht hier vor?» Luzia musste schreien, um Bernadette zu übertönen. Dann erst bemerkte sie, dass auch Dietrich anwesend war. Aus der Kemenate hinter der Tür drangen Kampfgeräusche. «Was soll das?» Bevor jemand sie aufhalten konnte, war Luzia zur Tür gerannt und hatte sie aufgerissen. Entsetzt sah sie, wie Albrecht mit der flachen Hand in Elisabeths Gesicht schlug. Deren Kleid war an der Schulter und über der Brust zerrissen, und sie wehrte sich verzweifelt gegen ihn, der sie mittlerweile zu Boden gestoßen hatte und versuchte, ihren Rock hochzuschieben.
«Hört auf damit!», schrie Luzia und wollte sich auf Albrecht stürzen, doch im gleichen Moment packte Dietrich sie grob im Nacken und riss sie zurück.
«Verschwinde, Mädchen. Das geht dich nichts an.»
Luzia zappelte und wehrte sich gegen Dietrichs harten Griff. «Lasst mich los! Ihr müsst ihn aufhalten, Herr Dietrich! Er darf nicht …»
«Was?» Dietrichs Hand packte noch fester zu, und Luzia glaubte, ihr Genick müsse brechen. «Er tut nur, was getan werden muss. Diese feile Dirne konnte ihre Röcke nicht zusammenhalten, weiß Gott. Aber es kommt gar nicht in Frage, dass sie diesen Hergelaufenen …»
«Haltet ein – sofort!», donnerte Martins Stimme dazwischen. Er hielt Dietrich einen kurzen Dolch unter die Nase, dessen Griff mit grünen Edelsteinen besetzt war. BevorDietrich reagieren konnte, war Martin an ihm vorbei und bei Albrecht und Elisabeth. Er packte Albrecht an den Haaren und zerrte ihn mit einem Ruck hoch.
Albrecht taumelte und stürzte gegen den Tisch. Martin gab Albrecht einen rüden Stoß, sodass dieser hintenüberkippte und mit dem Kopf gegen einen Stuhl schlug. Benommen blickte er zu seinem Angreifer hoch.
Martin setzte ihm einen Fuß auf den Brustkorb und hielt ihn damit in Schach; gleichzeitig ließ er die Klinge des Dolches drohend aufblitzen. «Schluss jetzt», sagte er kühl, dann wandte er sich zu Dietrich um. Dieser rührte sich nicht, denn van Thelen hielt ihm seinerseits ein langes Messer an die Kehle. Keiner der anderen Männer machte Anstalten, sich zu bewegen. Sie hatten Bernadette losgelassen, die nun aufgeregt zu der noch immer am Boden liegenden Elisabeth stürzte. «Schwein!», schrie sie Albrecht an. «Ihr wolltet sie entehren!»
Dietrich stieß einen gereizten Laut aus, wagte jedoch nicht, sich zu rühren. «Das dürfte schwerlich möglich sein. Vermutlich hat das schon längst jemand anderer erledigt.
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