Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
das. Mein großes Ego leider nicht. Als würde eine Jahrhundertflut bevorstehen, beginnt es nach Argumenten zu suchen und sie zum Selbstschutz wie Sandsäcke um sich herum aufzustapeln. Als Erstes sollten wir mal festhalten, dass ich momentan weder an einer Haupt- noch an einer Nebenbeziehung interessiert bin. Ich bin nämlich immer noch dabei, mich selbst wiederzufinden. Sack. Das hier ist sowieso keine richtige Liebesgeschichte. Sack. Das ist ein nettes Abenteuer mit gutem Sex und schlechtem Essen. Sack, Sack. Und mit vielen unterhaltsamen Enthüllungen, was mich betrifft, aber damit ist jetzt Schluss. Extrareihe Säcke. Dann geh doch zum Apnoe-Tauchen, du ausgebrannter Personalfragenberater. Oder werd Mönch, wenn du sowieso für den Rest deines Lebens auf Sex verzichten willst. Für heitere Abschiede bin ich nicht zuständig, meine Spezialität ist verbrannte Erde, das liegt nun mal in meiner Familie.
Die Mauer steht.
Simon versucht, mich näher an sich heranzuziehen. Ich mache mich steif wie ein Brett. Mein höheres Selbst blickt schockiert von der Zimmerdecke auf mich herab.
»Mila«, sagt Simon. »Was ist los?«
Ich darf jetzt nichts sagen. Es reicht, dass ich mich vor Simons Augen in ein nörgelndes, trotziges Monster verwandelt habe.
»Bitte, Mila. Sieh mich an.«
Auf gar keinen Fall. Ich könnte anfangen zu heulen und womöglich diesen Satz von vorhin aussprechen, und davor muss ich uns beide schützen. Etwas zwickt unter meinem Oberschenkel. Ich fasse hin. War doch klar, alles voller Krümel hier.
»Ich gehe duschen«, sage ich. Ich schüttle Simons Arm ab und steige über ihn hinweg aus dem Bett. Ich gehe in Richtung Bad und stoße gegen den verdammten Servierwagen, dass es nur so scheppert, und ich sehe mich kein einziges Mal nach Simon um.
8.
Ich dusche so heiß und so lange ich kann, und als ich wieder zurück ins Zimmer komme, ist Simon fort. Auf dem Bett liegt ein Blatt Papier. Es ist eine Zeichnung von einem Strichmännchen, das von unzähligen Pfeilen beschossen wird, damit könnte er entweder mich oder den Sturm draußen gemeint haben. Das Männchen grinst breit und, wie ich finde, etwas unmotiviert. In die rechte obere Ecke hat Simon eine Uhr gezeichnet. Sie steht auf drei. Beide Zeiger reichen weit über den Rand des Zifferblatts hinaus und wurden ein paar Mal energisch nachgezogen. Ich lese folgende Botschaft daraus: Simon ist spazieren gegangen und kommt spätestens um drei Uhr wieder, und er ist irrsinnig gut drauf.
Ich sehe nach, es ist kurz vor eins. Noch zwei weitere kostbare Stunden unserer Restzeit, die durch mein Gezicke in den Wind geschossen werden, ganz zu schweigen von denen davor. Eine wie ich hat wirklich kein Abi verdient. Ich lasse das Blatt auf dem Bett liegen und beginne mich anzuziehen. Meine Jeans fühlt sich leicht speckig an, es ist höchste Zeit, nach Hause zu fahren, und sei es nur, um die Kleider zu wechseln. Früher hat mir so was nichts ausgemacht, solange ich saubere Unterwäsche anhatte, konnte ich wochenlang in derselben Hose rumlaufen. Es gab sogar eine Zeit, in der nicht mal saubere Unterwäsche Priorität hatte, das war die Phase, in der ich versuchte, Alicja mit meinem Gestank auf mich aufmerksam zu machen. Es hatte nichts gebracht. Sie musste nur damit drohen, Elli zu entlassen, falls die nicht imstande war, für angemessene Hygiene zu sorgen, und damit war der Fall erledigt. Ich hätte damals schon ohne Elli überleben können, aber Marek nicht, und Marek ständig am Hals haben wollte ich auch nicht, also wusch ich mich wieder und wechselte meine Kleider und sicherte Ellis Arbeitsplatz für zwei weitere Jahre.
Ich nehme noch einmal Simons Zeichnung in die Hand. Ich stelle mir vor, wie er zunächst im Geist Sätze an mich formuliert und sich dann doch für eine Zeichnung entschieden hat, weil er den richtigen Ton nicht finden konnte. Oder er hat eine scheußliche Handschrift und weiß es. Inzwischen bin ich überzeugt, dass er dieses Grinsen als Letztes in sein Gesicht reingezeichnet hat, um mich zu beruhigen. Ich halte das Blatt ans Licht, als gäbe es vielleicht noch eine Geheimbotschaft zu entdecken. Die Rückseite ist bedruckt. Es ist die Teilnehmerliste vom Meditationsworkshop, Simon muss sie sich von meiner Loseblattsammlung vom letzten Wochenende genommen haben, die ich auf dem Schreibtisch liegen gelassen habe.
Es klopft an der Tür. Bevor ich etwas sagen kann, wird sie aufgerissen, und eine Servicekraft des Hotels – Frau Papic steht auf
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